Sara Björk Gunnarsdottir rechnet ab: Olympique Lyon ist alles, aber kein Pionier

Olympique Lyon ist einer der erfolgreichsten Vereine im Fußball, im Frauenbereich gilt der Klub aus Frankreich als Pionier. Acht Mal gewann Lyon die Champions League, zuletzt vor einem halben Jahr, und kann darüber hinaus unzählige nationale Titel vorweisen. Dort geben sich die besten Spielerinnen der Welt die Klinke in die Hand. Auch die beiden deutschen Nationalspielerinnen Sara Däbritz und Dzsenifer Marozsán stehen bei Olympique unter Vertrag.

Von solch einem Verein würde man also erwarten, dass er fair und zuvorkommend mit seinen Spielerinnen umgeht. Ihnen die beste Versorgung auf dem Platz und daneben bietet. Das tut Lyon auch, Vereinspräsident Jean-Michel Aulas ist sogar stolz darauf, den Fußballerinnen faire Konditionen bieten zu können. Außer man wird eben während seiner aktiven Karriere schwanger. So wie es bei Sara Björk Gunnarsdóttir der Fall war, wie im April 2021 bekannt wurde.

Gunnarsdóttir, die im Oktober 2021 schließlich ihr Kind bekam, ging mit ihrer Geschichte am Mittwochabend an die Öffentlichkeit, in dem sie einen emotionalen Text auf der US-amerikanischen Internet-Plattform „The players tribune“ veröffentlichte.

Dort schreibt sie von freudigen Reaktionen, nachdem sie allen Verantwortlichen in Lyon von ihrer Schwangerschaft berichtet hatte. Ihr sei zudem jegliche Unterstützung zugesichert worden, die Zeit ihrer Schwangerschaft habe sie in ihrem Heimatland Island verbringen dürfen.

Doch irgendwann sei ihr dann das Gehalt verweigert worden mit der Begründung seitens des Klubdirektors, Vincent Ponsot, dass das französische Recht es so vorsehe. Jedoch hatte die Fifa im Jahr 2020 eine neue Mutterschutzregelung für aktive Spielerinnen beschlossen, an der auch die Spielerinnengewerkschaft FIFPRO beteiligt war und die im Januar 2021 in Kraft trat. Danach müssen Vereine einer schwangeren Spielerin über 14 Wochen mindestens zwei Drittel ihres Gehalts zahlen.

Lyon muss Gunnarsdóttir das Gehalt nachzahlen

Allerdings kam Olympique Lyon dem einfach nicht nach und hielt es auch nicht für notwendig, der Spielerin Bescheid zu geben oder sich in sonst einer Form nach ihr zu erkundigen. „Ich möchte sicherstellen, dass niemand jemals wieder das durchmachen muss, was ich durchgemacht habe. Und ich möchte, dass Lyon weiß, dass das nicht in Ordnung ist“, schreibt Gunnarsdóttir.

Nach einem sich über Monate ziehenden Rechtsstreit, den Gunnarsdóttir trotz einer Drohung seitens Lyon, einging, erwirkte FIFPRO im Mai 2021 schließlich das Urteil zugunsten der Isländerin. Lyon musste der Spielerin das komplette Gehalt nachzahlen, immerhin 82.094,82 Euro.

Kurz danach gewann Lyon die Champions League, Gunnarsdóttir war auch dabei, obwohl ihr von Vereinsseite vermittelt wurde, dass sie nicht mehr gut genug wäre und es ein Fehler gewesen sei, ein Kind zu bekommen, wie sie sagt. Lyon verlängerte den im Sommer auslaufenden Vertrag der vormaligen Stammspielerin schließlich nicht und sie wechselte nach der EM, wo sie für Island in drei Spielen von Anfang an zum Einsatz kam, zu Juventus Turin.

Ich möchte sicherstellen, dass niemand jemals wieder das durchmachen muss, was ich durchgemacht habe.

Sara Björk Gunnarsdóttir

Auch wenn Gunnarsdóttir, die auch mehrere Jahre beim VfL Wolfsburg unter Vertrag stand, Recht bekam, bleibt noch einiges zu tun. Neben der Notwendigkeit, dass ein Verein wie Lyon ein Angebot hätte schaffen müssen, Spielerinnen über ihre Rechte zu informieren, vor allem bei einem Ausfall aufgrund einer Schwangerschaft, und dem nicht ansatzweise nachkam, hätte auch die Unterstützung auf anderer Ebene erfolgen müssen.

Der FC Chelsea und Melanie Leupolz machen es vor

Doch stattdessen wurde der Spielerin suggeriert, ihre Karriere bei Lyon sei vorbei und es wurde nicht mal in Erwägung gezogen, dass sie sportlich wieder ihr altes Niveau erreichen könne. Schließlich hat sie nun ein Kind, das die Konzentration störe und sie vom Fußball abhalte.

Die deutsche Nationalspielerin Melanie Leupolz etwa gab im März Anfang des Jahres gemeinsam mit ihrem Verein, dem FC Chelsea, ihre Schwangerschaft bekannt und wurde im Oktober Mutter. Doch anstatt sie unter Druck zu setzen, sobald wie möglich auf den Platz zurückzukehren, wie die Spielerinnen es selbst sowieso schon tun, verlängerte der englische Klub ihren Vertrag vor einer Woche. Genauso sollte die Unterstützung eines Vereins auf professioneller Ebene aussehen. Lyon tat genau das Gegenteil.

Was neben dem finanziellen Aspekt noch wichtiger erscheint, ist, dass Vereine verstehen, dass man auch nach einer Schwangerschaft wieder eine Leistungssportlerin sein kann, wie es bereits in vielen anderen Sportarten vorgemacht wurde. Im Fußball ist der Weg dahin noch lang, auch wenn Vereine wie Chelsea Hoffnung machen. Auch im DFB ist mittlerweile angekommen, das Thema anzugehen, wie die Nationaltorhüterin und zweifache Mutter Almuth Schult in der Doku „Born for this“ erzählt. Der DFB bezuschusste ihre Kinderbetreuung und der VfL Wolfsburg stand dem Thema ebenfalls offen gegenüber.

Dass Gunnarsdóttir mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit gegangen ist, erscheint deswegen nun umso wichtiger, damit das Thema weiter an Aufmerksamkeit gewinnt und Spielerinnen wie sie selbst vor zwei Jahren nicht vor dem Problem stehen, ihre Rechte nicht zu kennen. Denn wie die Isländerin richtig feststellt: „Hier geht es nicht nur ums Geschäft, es geht um meine Rechte als Arbeitnehmerin, als Frau und als Mensch.“

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