Chat-Affäre bei Springer: Döpfner hätte aus vergangenen Skandalen lernen müssen
Das ramponierte Handy mit der brisanten Nachricht des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff hat Ex-„Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann dem Haus der Geschichte in Bonn vermacht. „Und da ist jetzt bei meiner Frau und mir einfach der Rubikon in dem Verhalten überschritten…“, hatte Christian Wulff auf die Mailbox gesprochen.
2012 veröffentlichte „Bild“ den Inhalt der Nachricht, mit der Wulff unzulässigen Einfluss auf die Berichterstattung der freien Presse nehmen wollte. Wenig später musste er zurücktreten. Nicht allein, aber auch deswegen. Und jedermann wusste, was die Vertraulichkeit eines Telefonats wert ist.
Mathias Döpfner ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Konzerns. Bereits vor der „Zeit“-Veröffentlichung der kruden Chatnachrichten am Donnerstag dieser Woche war eine brisante Korrespondenz mit dem Journalisten und Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre öffentlich geworden, mit der Döpfner auch seine Verlegerkollegen und Kolleginnen brüskierte.
Die „New York Times“ hatte in einer großen Springer-Recherche eine Textnachricht Döpfners zitiert, in der er schrieb, Reichelt sei „der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der sich noch mutig dem neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ entgegenstelle. Einzelfall also, wie sich zeigt. Döpfner muss sich zumindest notorischen Leichtsinn in seinem Kommunikationsverhalten vorwerfen.
Skandal um Ex-RBB-Intendantin Schlesinger
Dabei hätte gerade er es besser wissen müssen. Die Springer-Publikation „Business Insider“ hat den Skandal um Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger vor allem mittels durchgestochener interner Unterlagen und digitaler Korrespondenz aufgedeckt.
Alles, was Sie sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden, hieß es früher. Heute gilt das für jedes eingetippte Wort, jede Mailbox-Nachricht, jeden Chat und jede Videokonferenz.
Es gibt endgültig keine geschützten Räume mehr. Darauf muss sich der Chef eines international tätigen Unternehmens mit 18.000 Mitarbeitern ebenso einstellen wie jeder andere Nutzer digitaler Kommunikationskanäle.
Im Digitalen gilt die Maxime: Vertraue niemandem. Du weißt nie, wer alles Zugriff auf deine Chatverläufe hat. Die Affäre Döpfner beweist indes ein weiteres Mal, dass aus diesem Wissen nicht zwangsläufig Einsicht erwächst.