Erste Vorbereitung nach seiner Erkrankung: Timo Baumgartl ist auf bestem Weg zu alter Stärke

Vor Timo Baumgartl stehen wichtige Wochen, doch nach dem Training wirkt der Innenverteidiger des 1. FC Union völlig entspannt. Am Samstag wird es für ihn und seine Mannschaft wieder ernst in der Fußball-Bundesliga, es warten zehn Spiele in fünf Wochen. Für Baumgartl geht es sportlich um einiges. In der Hinrunde war er nicht nominiert für die Europa League, bis zum 2. Februar könnte ihn der Verein noch nachmelden für die Zwischenrunde gegen Ajax Amsterdam. Im Sommer endet seine Leihe von der PSV Eindhoven nach Köpenick.

Abseits des Rasens steht der 26 Jahre alte Schwabe ebenfalls vor einer Herausforderung. Ende Februar steht eine Semesterabschlussprüfung an, Baumgartl studiert seit 2016 an der Fernuni Hagen Psychologie. Aktuell befindet er sich im neunten von zwölf Semestern.

Baumgartl war schon immer ein lockerer Typ, doch das vergangene Jahr hat ihm noch mal eine neue Perspektive verschafft. Auf den Druck im Profifußball, auf den Druck, den man sich selbst macht – und auf das Leben. „Ich habe letztes Jahr gemerkt, dass Pläne schnell über den Haufen geworfen werden können“, sagt Baumgartl angesprochen auf seine Zukunft. „Deshalb ist es für mich gerade nach der Erkrankung wichtig, den Moment zu genießen.“

Ich habe letztes Jahr gemerkt, dass Pläne schnell über den Haufen geworfen werden können.

Timo Baumgartl über seine Hodenkrebsdiagnose

Im vergangenen Frühjahr wurde bei Baumgartl ein Tumor diagnostiziert. Ihm wurde ein Hoden entfernt, er durchlief eine Chemotherapie, monatelang war an Fußball nicht zu denken. Erst nach dem Sommertrainingslager kehrte Baumgartl auf den Rasen zurück und arbeitete sich Stück für Stück wieder heran. Denn während der Chemotherapie verlor er nicht nur seine Haare, sondern auch viel Kraft und Ausdauer.

Doch schon am 18. September stand er erstmals wieder in einem Pflichtspiel auf dem Platz. Union gewann zu Hause 2:0 gegen Wolfsburg, Baumgartl wurde von den Fans gefeiert. „Ich habe mir diesen Moment ausgemalt während der Chemotherapie“, sagte er nach dem Spiel. „Ich möchte einfach den Menschen da draußen Hoffnung geben, die diesen Kampf kämpfen müssen. Ich bin ein Beispiel dafür, dass es geht, dass man schnell wieder zurückkommen kann.“ 

Drei weitere Spiele kamen noch hinzu, doch richtig abgeschlossen war sein Rückkehrprozess nicht. „Eine Vorbereitung kann man nicht ersetzen und im Sommer hatte ich keine, da war ich im Krankenhaus und hatte andere Dinge zu tun“, sagt Baumgartl. Die lange Pause in diesem Winter habe ihm daher sehr geholfen, auch wenn es langsam Zeit werde, dass es wieder losgeht. „Ich bin froh, dass ich die komplette Vorbereitung machen konnte, um wieder zu alter Stärke zu finden. Ich bin nah an den 100 Prozent, aber der Rhythmus kommt nur über Spiele.“

Die erste Gelegenheit dafür gibt es am Samstag (15.30 Uhr, Stadion An der Alten Försterei) gegen Hoffenheim, seine Chancen auf einen Einsatz in der Dreierabwehrkette sind gut. Baumgartl selbst fühlt sich bereit und sieht auch seine Mannschaft auf einem guten Weg.

Dass das letzte Testspiel gegen Zilina trotz des 3:1-Sieges einige Baustellen offenbarte, sei nach einem anstrengenden Trainingslager völlig normal. Zumal er aus eigener Erfahrung weiß, dass eine geglückte Generalprobe keine Garantie für Erfolg ist. „Ich habe mit Stuttgart mal das letzte Vorbereitungsspiel gegen Manchester City mit 4:2 gewonnen und wir sind abgestiegen“, erinnert sich Baumgartl.

Über seine Zukunft hat er sich hingegen noch keine Gedanken gemacht. Im Sommer endet seine zweite Leihe nach Köpenick und er müsste in die Niederlande zurückkehren. Doch auch eine feste Verpflichtung durch Union ist denkbar. „Da wird man sich irgendwann im April mal zusammensetzen. Aber ich habe da überhaupt keinen Stress“, sagt Baumgartl. Schließlich hat er mit der Dreifachbelastung auf dem Fußballplatz sowie der Semesterprüfung erst mal genug zu tun.

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