Radkolumne „Abgefahren“: Auf den Hund gekommen

Radfahren kann ein tierisches Vergnügen sein. Wenn der Wind den Pedaleur leicht von hinten schiebt, die Sonne vom Himmel hervorlugt und die Straßen frei sind, schlägt das Radler-Herz höher. Doch die Gefahr lauert immer und überall, besonders wenn Tiere dem Vergnügen ein jähes Ende bereiten.

Man kennt das von der Tour de France. Das Feld kommt angerast, Menschenmassen am Straßenrand jubeln begeistert. Plötzlich läuft aus der Menge ein Hund quer ins Peloton hinein. Stürze, Chaos, verletzte Fahrer, Dramatik pur eben. Wenn so etwas aber auf einer einsamen Landstraße im Brandenburgischen passiert, ist das ein Wink des Schicksals? Sollte ich vielleicht Lotto spielen?

Vor einer Woche jedenfalls war meine kleine Radfahr-Welt noch in Ordnung. Das Radtraining an diesem Tag lief super, der Rückenwind tat ein Übriges. In dem kleinen Ort Löwendorf nach einer leichten Kurve stand plötzlich dieser Hund auf der Straße. Ein Ausweichmanöver schien zwecklos und weil sich der Vierbeiner auch nicht bewegte, schlug ich laut meines Radcomputer mit 33 km/h erst in ihn ein und dann auf dem Asphalt auf.

Die Gefahr lauert immer und überall, besonders wenn Tiere dem Vergnügen ein jähes Ende bereiten.

Michael Wiedersich über die Risiken des Radfahrens

Nachdem ich mich und das Rad von der Straße geschleppt hatte, fiel das Atmen deutlich schwerer. Die Schulter meldete ebenfalls Probleme, alles tat weh. Das Herrchen des Hundes und sein Bekannter kümmerten sich schnell um mich. Vom Hund Charly, einem schon etwas älteren Golden Retriever, war nichts mehr zu sehen. Es dauerte nicht lange bis die Polizei und der Krankenwagen die Unfallstelle erreichten.

Einen kurzen Moment überlegte unser Kolumnist, die verbogenen Bremsgriffe zu richten. Dann wurde er aber ins Krankenhaus gebracht.
Einen kurzen Moment überlegte unser Kolumnist, die verbogenen Bremsgriffe zu richten. Dann wurde er aber ins Krankenhaus gebracht.
© Michael Wiedersich

Einen kurzen Moment überlegte ich, die verbogenen Bremsgriffe zu richten, zweimal tief durchzuatmen und mit dem demolierten Rad die letzten 30 km nachhause zu fahren. Radfahrer gelten gemeinhin als harte Hunde, um mal im Bild zu bleiben. Bei der Tour stürzen sie, stehen danach wieder auf und fahren wenigstens bis ins Tagesziel. Ex-Profi Marcus Burghardt beispielweise machte bei der Tour 2007 auf der neunten Etappe unfreiwillige Bekanntschaft wie ich mit einem Golden Retriever. Am Tag nach dem spektakulären Sturz wurde der damalige T-Mobile-Profi Etappen-Achter und fuhr die Frankreich-Rundfahrt sogar zu Ende. Als das bei mir mit dem tiefen Einatmen eher suboptimal verlief, entschied ich mich lieber für die Mitfahrt im Krankenwagen.

Im Krankenhaus von Ludwigsfelde nahmen mich eine sehr nette Ärztin und ebenso fürsorgliche Pfleger*Innen in ihre Obhut. Röntgen, Ultraschall, Bewegungstests – trotz der Schmerzen hatte ich ein gutes Gefühl. Nachdem klar war, dass nichts gebrochen oder signifikant verletzt war, dufte mich die angereiste Kulturbeauftrage wieder mit nachhause nehmen.

Nun warte ich ab, dass es besser wird. Schlafen und bewegen ist derzeit nur mit Einsatz von Schmerzmitteln möglich. An Radfahren ist vorerst nicht zu denken, keine Ahnung, wie jemand in solch einem Zustand eine Tour de France zu Ende fährt. Aber weil man dem Körper etwas bieten muss, betreibe ich seit einigen Tagen Leistungswandern um den Schlachtensee. Und noch eine gute Nachricht: meinem neuen vierbeinigen Freund Charly, dem Golden Retriever aus Löwendorf, geht es schon wieder viel besser.

Nach den unerfreulichen Tierkontakten der letzten Zeit hoffe ich, dass damit nun Schluss ist. Leider befürchte ich Schlimmeres. Denn nach dem Gesetz der Serie wäre beim nächsten Mal nach Katze und Hund nun ein größeres Tier an der Reihe. Deswegen meine inständige Bitte an die Brandenburger Bauern, wenn ich demnächst wieder mit dem Rad unterwegs bin: Achtet unbedingt auf eure Kühe!

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