Serie Humboldt Forum (14): Der Ostflügel des Stadtschlosses wird eröffnet

Mit einem 24-Stunden-Programm feiert das Humboldt Forum am 17. und 18. September die Eröffnung des Ostflügels des Berliner Stadtschlosses. Neue Räume mit Ausstellungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst sind zu entdecken, außerdem Flächen für temporäre Ausstellungen. Lesen Sie hier vier Stimmen zur Eröffnung:


Hartmuth Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums in Berlin.
Hartmuth Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums in Berlin.
© David von Becker

Wie eröffnet man ein Gebäude, dessen Fläche allein für Ausstellungen und Veranstaltungen über vier Fußballfelder groß ist? Wie kann man die Bedeutung und Herkunft von rund 20 000 Exponaten angemessen und aus vielen Perspektiven präsentieren? Wie koordiniert man fünf Vernissagen zeitgleich? Und wie bringt man 400 lang geplante Veranstaltungen und Vermittlungsangebote an den Start – ohne das Publikum, die beteiligten Partner:innen und sich selbst zu überfordern?

Allen Beteiligten wurde schnell bewusst, dass all das nur mit einer guten Dramaturgie und Logistik, also in einer zeitlichen Abfolge gelingen kann. Daher haben wir im Dezember 2020 mit einer – coronabedingt rein digitalen – Eröffnung erste Einblicke in das Innere gegeben, im Frühjahr 2021 die Höfe aufgemacht und im Sommer und Herbst endlich die temporären Ausstellungen und erste Teile der außereuropäischen Sammlungen im Westflügel eröffnet. Seitdem entfaltet sich das Potenzial des Humboldt Forums erfolgreich hin zu einem lebendigen Ort mitten in Berlin.

Jetzt folgt ein letzter Meilenstein: die Eröffnung des Ostflügels. Diese feiern wir mit 140 internationalen Kooperationspartner:innen und einem 24-stündigen Programm am 17. und 18. September 2022. Für einen Tag und eine Nacht ist das Humboldt Forum zugleich Festival, Thinktank und Open-Air-Club. Mittags starten Gespräche in den Ausstellungen, Performances und kurze Lesungen, Mitmach-Angebote und Workshops.

Nach dem Sonnenuntergang gibt es Filme, nächtliche Führungen, das Beobachten des Sternenhimmels von der Dachterrasse aus sowie Konzerte und DJ-Sets. Am Sonntagmorgen schließlich Yoga auf der Spreeterrasse und gemeinschaftliches Frühstück. Danach ist im Humboldt Forum alles offen. Seien Sie dabei!

Hartmut Dorgerloh ist seit Juni 2018 Generalintendant und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Der Kunsthistoriker lehrt als Honorarprofessor an der Humboldt-Universität. 


Gid yahk’ii Sean Young, Kurator am Haida Gwaii Museum.
Gid yahk’ii Sean Young, Kurator am Haida Gwaii Museum.
© Foto: Sean Young

Für mich war es eine große Freude, dass ich die Sonderausstellung „Ts’uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen“ mit kuratieren konnte. Normalerweise kommen Institutionen, die Ausstellungen über die Kultur der First Nations in Kanada oder den USA machen, erst ganz zum Schluss auf uns zu, fragen etwa, ob die Begleittexte für uns akzeptabel sind. Die Zusammenarbeit mit dem Humboldt Forum war anders: Wir waren von Anfang an einbezogen, haben die Ausstellung gemeinsam entwickelt, uns jede Woche virtuell getroffen. Das war wie ein frischer Wind. So sollte es immer sein!

Ich lebe auf Haida Gwaii, einer Inselgruppe vor der Westküste Kanadas. Wir Haida haben eine besondere Beziehung zu der Natur, die uns umgibt, zu den Bäumen des Küstenregenwalds.

Die Kolonisierung hat uns von der Natur entfremdet.

Gid yahk’ii Sean Young, Kurator am Haida Gwaii Museum

In der Sonderausstellung „Ts’uu – Zeder“ geht es darum, was Bäume, insbesondere der Riesen-Lebensbaum und die Nootka-Scheinzypresse, für uns bedeuten; wie die Kolonisierung das verändert, uns von unseren Wurzeln entfremdet hat und wie wir uns heute gegen die industriell betriebene Forstwirtschaft wehren. Die Ausstellung zeigt Werkzeuge, mit denen die Zeder bearbeitet wird, Objekte aus Zedernholz, Fotos und zeitgenössische Kunstwerke.

Ich werde am Eröffnungswochenende teilnehmen und freue mich darauf, das Team persönlich kennenzulernen. Als ich früher mal in Berlin war, bin ich allerdings nach vier Tagen geflohen … Ich bin es gewöhnt, viel in der Natur zu sein, zu jagen und zu fischen. Eine Großstadt wie Berlin ist nichts für mich!

Gid yahk’ii Sean Young ist Archäologe und Sammlungskurator am Haida Gwaii Museum at Kay Llnagaay. Er hat die Sonderausstellung „Ts’uu – Zeder“ (eröffnet am 28.9.) mitkuratiert.


Andrea Scholz, Kuratorin für transkulturelle Kooperation am Ethnologischen Museum.
Andrea Scholz, Kuratorin für transkulturelle Kooperation am Ethnologischen Museum.
© Janine Schmitz/photothek.de

Wenn nächste Woche die Ausstellungsräume im Ostflügel eröffnet werden, werden wir ungefähr 75 internationale Gäste des Ethnologischen Museums hier in Berlin haben. Ich freue mich schon sehr darauf, unsere Partner:innen aus Brasilien, Kolumbien und Venezuela durch den Raum zu führen, den ich mit ihrer Mitarbeit kuratiert habe.

Wir präsentieren darin Objekte der indigenen Gruppen aus dem Norden, Nordwesten und dem Zentrum Amazoniens: Federschmuck, Körbe, Waffen, Flöten und rituelle Objekte, etwa rituelle Instrumente der Tukanogruppen, die nach deren Vorstellung vor der heutigen Menschheit existierten.

Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit indigenen Gemeinschaften wie den Ye’kwana oder den Tukano, war häufig vor Ort und empfange regelmäßig Besucher:innen von dort in Berlin. Sie lernen das Depot kennen und erzählen uns, was die Objekte, die im Zuge der Kolonialisierung und der europäischen Sammelwut hierhergekommen sind, für sie bedeuten. Das zu erfahren, diese Beziehungen zu pflegen, ist für mich der wichtigste Aspekt der Museumsarbeit.

Dazu gehört auch, vor Ort zu unterstützen. Einige der Gemeinschaften, mit denen ich arbeite, sind von Goldbergbau bedroht, indigene Bildung ist für alle ein wichtiges Anliegen.

In Dahlem gab es keine Dauerausstellung zu Amazonien, wir zeigen die meisten Objekte zum ersten Mal. Die Ausstellungsarchitektur lehnt sich an das traditionelle Rundhaus der Ye’kwana an: Je mehr man sich dem Inneren nähert, desto intimer, ritueller werden die Objekte. Warum das so ist? Das können Sie am nächsten Wochenende die Gäste aus Amazonien selbst fragen. Denn sie werden für Gespräche im Ausstellungsraum zur Verfügung stehen.

Andrea Scholz ist Kuratorin für transkulturelle Kooperation am Ethnologischen Museum Berlin. Sie hat den neuen Ausstellungsraum zu Amazonien kuratiert.


Installation „Molla Nasreddin the antimodern“ des Künstlerkollektivs Slavs and Tatars, Yinchuan Biennale 2016.
Installation „Molla Nasreddin the antimodern“ des Künstlerkollektivs Slavs and Tatars, Yinchuan Biennale 2016.
© Foto: Slavs and Tatars

Eine riesige aufblasbare Essiggurke – das wird bei der „Sauer Power-Clubnacht“ im Humboldt Forum unser wichtigstes visuelles Bühnenelement sein. Die ganze Nacht wird es DJ-Sets und Konzerte geben, ukrainischer Techno, tatarische Popkultur, Trance-Punk und Breakbeats, gespielt von Bands aus dem Iran, Afghanistan, Polen.

Warum Essiggurke? Wir, das Künstlerkollektiv Slavs and Tatars, beschäftigen uns in Ausstellungen, Büchern und Performances mit dem Kulturraum östlich der ehemaligen Berliner Mauer und westlich der chinesischen Mauer, Eurasien. Es ist der Raum, in dem gerne fermentierte und sauer eingelegte Speisen gegessen werden.

Fermentieren ist im Grunde ein Akt des Haltbarmachens durch gezieltes Verrotten, es ist ein Widerspruch in sich und deshalb interessant. Wir haben in Moabit eine Pickle Bar aufgemacht, und es wird im Humboldt Forum Pop-up-Pickle-Bars geben. Da können Sie Sauerkrautsaft bestellen. „Sauer“ bedeutet im Deutschen ja so viel wie „enttäuscht, ärgerlich“; aber sauer aktiviert auch! Deswegen: Sauer Power.

Ich kenne Künstler:innen, die nicht mit dem Humboldt Forum zusammenarbeiten wollen – weil sie die Symbolik der Schloss-Architektur ablehnen. Die Architektur ist in der Tat unglücklich, aber das Schloss ist nun mal da, das sollten wir akzeptieren. Die Sammlungen, die dort ausgestellt sind, sind Juwelen, und die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind alles andere als rückwärtsgewandt. Darauf kommt es an.

Slavs and Tatars arbeiten mit Humor. Es wäre besser, wenn alle sich ein bisschen weniger ernstnehmen würden. Humor hat etwas Einladendes, Gastfreundliches. Wir laden alle ein zur Sauer Power Clubnacht!

Das Künstlerkollektiv „Slavs and Tatars“ gestaltet die „Sauer Power Clubnacht“ am 17. September im Schlüterhof.

Dieser Artikel ist Teil einer Themenspezial-Serie zum Humboldt Forum. Die Texte von Sean Young, Andrea Scholz und Slavs and Tatars wurden aufgezeichnet von Dorothee Nolte.

Zur Startseite