Pierre Boulez Saal: Manuel Walser singt bei der Schubert-Woche
Ich bin der Welt abhanden gekommen“: Das Rückert-Lied von Gustav Mahler steht als einzige Zugabe am Ende eines reinen Schubert-Programms. Da es dem Dichter um die Existenz geht, „darinnen alles Äußerliche, Irdische untergehen muss“ (Tagebuch), passt sich dieses letzte Lied beziehungsreich der Vortragsfolge an. Denn in den Liedern, die sich Manuel Walser für seinen Beitrag zur Schubert-Woche ausgewählt hat, dominiert das lyrische Ich.
In romantischer Manier waltet in den Texten die Sehnsucht, „enthoben der Erde, schon oben, schon drüben zu sein“ („Des Fischers Liebesglück“). Die Sehnsucht gilt als „Botin treuen Sinns“ in der „Taubenpost“. So schließt Walsers Programm mit „Totengräbers Heimwehe“ und dem sehr leisen Schluss „Ich sinke – ich sinke! Ihr Lieben – Ich komme!“ Darauf folgt im Pierre Boulez Saal der längste Moment der Stille, der sich denken lässt, bevor der erste Bravo-Ruf sich Luft macht.
Bei Thomas Quasthoff studiert
Der Sänger, geboren 1989 in St. Gallen, hat in Berlin bei Thomas Quasthoff studiert, hat internationale Preise gewonnen und fünf Jahre dem Ensemble der Wiener Staatsoper angehört. Die Stimme ist nicht groß, aber kultiviert, ein Bariton von eigenartigem Wohlklang. Als Interpret zeigt er Mut, an die Grenzen des ihm Möglichen und manchmal darüber hinaus zu gehen, vor allem aber eine hohe Kunst, die Töne im Gesang zu verbinden.
Seine Welt ist das schöne, dynamisch differenzierte Legato. Der amerikanische Pianist Jonathan Ware entfaltet in der Mahler-Zugabe Andeutungen vom Orchestersatz und begleitet die Lieder Franz Schuberts Rhythmus-betont, im „Wanderer an den Mond“ etwa wie eine Aufforderung an den Sänger, sich im Takt auf den Weg zu machen. Im übrigen ist die Stärke seines Klavierspiels die Anpassung, die Absicht des Musikers, ein getreuer Partner zu sein.
Ob zu Fuß oder zu Ross, es wird viel gewandert in den Texten der Lieder. Sie stammen unter anderen von den österreichischen und deutschen Dichtern Johann Gabriel Seidl, Johann Mayrhofer, Ernst Schulze, Uhland und Rückert. Überwiegend herrscht eine innige Grundstimmung wie in dem Rückert-Lied „Du bist die Ruh, der Friede mild“, in dem der Sänger mit seiner Phrasierungskunst bezaubert.
Langsam, feierlich wird „Im „Abendrot“ (Karl Lappe) zu einem Höhepunkt des Abends. Hier kann Walser seine wunderbare Linearität entfalten, die bis an den „Himmel“ reicht. „O wie schön ist deine Welt, Vater, wenn sie golden strahlet“: In Manuel Walsers Phrasierung ist diese Zeile ihrem Wesen nach eine gesungene Lyrik zum Verlieben.
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