Nominierungen für die Lolas: Beim Filmpreis nichts Neues
Zwei Wochen nach dem in diesem Ausmaß letztlich doch etwas überraschenden Erfolg in der Oscar-Nacht fallen die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis, die die Filmakademie am Freitag verkündet hat, sehr erwartbar aus. Natürlich dominiert Edward Bergers „Im Westen nichts Neues“ in zwölf Kategorien die Verleihung am 12. Mai: ein eindrucksvolles Muskelspiel des Streamingproduzenten Netflix, der nebenbei auch dem verzagten deutschen Förderkino eine Abfuhr erteilt. Man muss eben einfach nur richtig Geld in die Hand nehmen. Wobei Berger bei einem Budget von geschätzten 20 Millionen Euro immer noch mit gut einem Viertel von dem auskam, was vor vier Jahren Sam Mendes für seinen Westfrontfilm „1917“ zur Verfügung stand.
Ein so selbstbewusstes Zeichen wie „Im Westen nichts Neues“ gab es im deutschen Film seit „Das Boot“ nicht mehr. Wolfgang Petersens Unterwasserdrama startete nicht nur die Hollywood-Karriere des Regisseurs, sondern auch die seines Hauptdarstellers Jürgen Prochnow und von Kameramann Jost Vacano. Insofern ist der zu erwartende Erfolg bei den Lolas, allein schon wegen seiner diversen Alleinstellungsmerkmale, allemal verdient. Eine Kuriosität bleibt jedoch augenfällig: Mit dem iranischen Drama „Holy Spider“ von Ali Abbasi und „Im Westen nichts Neues“ sind zwei Produktionen für den besten Film nominiert, in denen entweder deutsches Geld steckt, aber kein deutsches „Talent“ involviert ist; oder an dem sehr viele deutsche Filmschaffende gearbeitet haben, dessen Kosten aber komplett von Netflix gedeckelt wurden.
Man kann davon halten, was man will. Doch ein Argument, die deutsche Filmförderung jetzt an sich infrage zu stellen (wie im Umfeld der Oscars gelegentlich hämisch zu lesen war), ist das eben gerade nicht. Im Gegenteil zeigt das nur, wie überfällig eine Reform des Filmfördergesetzes ist. Die schiere Dominanz von „Im Westen nichts Neues“ (und damit Netflix) lässt kaum Platz für andere Filme, daneben verblassen selbst Fatih Akins höchst erfolgreiche Rapper-Biografie „Rheingold“ (eine Nominierung) und die Meyerhoff-Verfilmung „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ (zwei).
Vielfalt im deutschen Kino
In einem Jahr mit Filmen wie „Das Lehrerzimmer“ von Ilker Çatak (sieben Nominierungen), David Wnendts „Sonne und Beton“ (vier) und „Seneca“ von Robert Schwentke (immerhin eine) wird der Siegeszug von „Im Westen nichts Neues“ wieder das alte Problem des Filmpreises aufzeigen: dass sich die wichtigsten Auszeichnungen um einen Titel konzentrieren. Keine gute Voraussetzung, um die Vielfalt des deutschen Films zu feiern. Genau das aber hat das Kino, drei Jahre nach der Pandemie, gerade nötig.
Edward Berger hat natürlich recht, wenn er sagt, dass er dafür am allerwenigsten kann. Man muss also hoffen, dass die zweitausend Akademie-Mitglieder, die die Lolas vergeben, geistesgegenwärtig genug sind, das deutsche Filmjahr differenziert zu bewerten. Nach vier Oscars hat „Im Westen nichts Neues“ nicht auch noch ein Regal voller Lolas nötig. Von seiner Strahlkraft etwas an die kleineren Filme abzugeben, wäre nun wirklich mal ein Beitrag zum deutschen Kino.
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