Lassen und Nichtstun
Man kennt das aus Peter Handkes Büchern: Fast immer ist darin ein Erzähler unterwegs, wandert hier in der Umgebung von Handkes französischem Wohnsitz Chaville herum, stromert dort in anderen Ländern umher. Das Wandern ist des Handkes Lust.
Manchmal setzt sich der inzwischen 79-jährige Schriftsteller auch in Flugzeuge und nimmt einen Preis entgegen. So wie vor knapp zwei Jahren den Literaturnobelpreis in Stockholm. Oder wie jetzt einen Orden in Banja Luka, der Hauptstadt der Republika Srpska, der bosnischen Serbenrepublik.
Diese gibt es seit dem Ende der jugoslawischen Kriege 1995. In Bosnien-Herzegowina, wo überwiegend Bosniaken und Kroaten leben, entstand zusätzlich die Republika Srpska mit einer überwiegend serbischen Bevölkerung. Die politische Führung der Serbenrepublik erkennt die Morde von bosnisch-serbischen Truppen an Bosniaken und Kroaten nicht als Kriegsverbrechen an, darunter das Massaker in Srebrenica.
Handke sagte: “Ein großer Moment”
Peter Handke erhielt am Freitag aus den Händen der Präsidentin der Republik Srpska, Željka Cvijanović einen Orden „für seine Beiträge zur Unterstützung der serbischen Interessen und kulturellen Entwicklung Serbiens“ und traf sich hier mit anderen maßgeblichen Politikern der Teilrepublik wie Milorad Dodik.
Überdies weihte er in Banja Luka ein überlebensgroßes Denkmal seiner Person in Form einer gusseisernen Statue neben dem Hauptregierungsgebäude ein. Sein Kommentar im bosnisch-serbischen Fernsehen: „Ich bin glücklich darüber, hier zu sein. Das ist ein großer Moment für mich.“
Bosnische Opferverbände sind empört. Stellvertretend sagte der Leiter des Gedenkzentrums in Srebrenica, Emir Suljagic einem Internetportal: „Bei diesem Besuch stellt sich die Frage, inwiefern da nicht Verbrechen zelebriert und glorifiziert werden. Diese sind im Namen einer nationalistischen Ideologie begangen worden, die auf der serbischen Seite nie besiegt und überwunden wurde.“
Am Sonntag empfängt ihn Serbiens Staatspräsident
Peter Handke reiste am Samstag von Banja Luka nach Visegrád, das ebenfalls in der Republika Srpska liegt. In Visegrád hatten im Krieg serbische Einheiten gewütet, ethnische Säuberungen vorgenommen und tausende muslimische Zivilisten getötet.
Hier wurde Handke in der von dem Filmregisseur Emir Kusturica gegründeten Phantomstadt Andrićgrad der „Große Ivo-Andrić-Preis“ verliehen, benannt nach dem in Visegrád aufgewachsenen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Ivo Andrić
Mit bei der Preisverleihung: einige extrem nationalistische Dichter und Intellektuelle sowie alte Milosević-Getreue, etwa Matija Bećković und Milorad Vucelić. Am Sonntag soll Handke in Belgrad von Serbiens Staatspräsident Vučić empfangen werden.
Die Empörung der Opferverbände ist verständlich. Doch nach seinen Literaturnobelpreisauftritten ist diese Reise in die serbische Republik und nach Belgrad und dass Handke sich dort mit allen Ehren empfangen lässt, die Fortsetzung seiner Parteinahme für Serbien. Nichts anderes war von ihm zu erwarten.
In Stockholm hatte der Schriftsteller kein Wort über Serbiens Kriegsverbrechen verloren, geschweige denn, sich davon distanziert oder entschuldigt. Warum sollte er sich, so seine Logik, nun anders verhalten?
Nach allem, was war, dem zur Schau getragenen Starrsinn, ist Handke nicht auf Versöhnung aus. Von einer „namenlosen Freude“ ist in seiner 2020er- Erzählung „Das zweite Schwert“ die Rede, einer Freude „am weiteren Lassen und Nichtstun, weiter so nichts tun und lassen”. Daran hat sich Peter Handke in Banja Luka und Visegrád gehalten.