Debakel bei der Vierschanzentournee: Die Stimmung bei den deutschen Skispringern „ist beschissen“
So gebeutelt haben die deutschen Skispringer selbst den unliebsamen Bergisel lange nicht mehr verlassen. Während Polens Tagessieger Dawid Kubacki und Norwegens Tournee-Primus Halvor Egner Granerud in Innsbruck die nächste große Show lieferten, zogen die deutlich geschlagenen Springer um Andreas Wellinger mit grimmigen Mienen von der dritten Station der Vierschanzentournee ab. „Es gibt Tage, die laufen gut. Es gibt Tage, die laufen weniger gut und heute war scheiße“, sagte Wellinger.
Den DSV-Adlern droht das schlechteste Tournee-Abschneiden seit den schweren Krisenjahren vor knapp einem Jahrzehnt. „Die Stimmung im Team ist beschissen“, sagte der Dreifach-Weltmeister von 2019, Markus Eisenbichler, nach dem Debakel. Mit Blick auf seinen schon in der Qualifikation gescheiterten Kumpel Karl Geiger ergänzte er: „Karl ist gestern ausgeschieden. Wir sind alle nicht so gut. Da kann die Stimmung nicht gut sein.“
Als zwischen den Topspringern Kubacki und Granerud vor 18 700 Zuschauern die Entscheidung um den Tagessieg fiel, hatten die deutschen Athleten längst Feierabend. Kubacki jubelte mit nach oben gereckten Fäusten über den Tagessieg. Fast wie ein Gewinner durfte sich aber auch Granerud fühlen.
Es gibt Tage, die laufen gut. Es gibt Tage, die laufen weniger gut und heute war scheiße.
Andreas Wellinger über den DSV-Auftritt beim dritten Springen der Vierschanzentournee.
Zwar kann der Norweger nicht mehr wie zuvor nur Sven Hannawald, Kamil Stoch und Ryoyu Kobayashi alle Springen einer Tournee gewinnen. Der Gesamtsieg bei der 71. Ausgabe des Schanzen-Spektakels ist dem 26-Jährigen aber nur noch bei einem groben Patzer zu nehmen. Vor dem Tournee-Finale beträgt sein Vorsprung auf Rang zwei schon umgerechnet rund 13 Meter. Dritter in der Gesamtwertung ist der Slowene Anze Lanisek.
In den vergangenen Jahren hatten immer auch die deutschen Springer mindestens um einen Podestplatz gekämpft. Davon sind sie nun extrem weit entfernt. „Das tut natürlich schon sehr weh“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. „Es ist eine schwierige Situation für uns, aber wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken.“ Der Österreicher stellte klar: „Ich bin definitiv nicht ratlos.“
Als bester Deutscher belegte Youngster Philipp Raimund am Mittwoch den 13. Platz. Wellinger bestätigte seine zuvor ansteigende Form auf der beeindruckenden Schanzenanlage mit Blick auf die Nordkette nicht. Er landete nur auf dem 18. Rang und ist als Achter nun der mit Abstand beste Deutsche im Gesamtranking. Eisenbichler war schon zufrieden, erstmals bei dieser Tournee den zweiten Durchgang erreicht zu haben.
Auch wenn es in dieser Saison vor dem Höhepunkt rund um den Jahreswechsel schon nicht wirklich gut gelaufen war: Derart enttäuschende Auftritte waren nicht zu erwarten gewesen. Kurz vor der Tournee hatte Horngacher sogar gesagt, „noch nie mit so einer guten Mannschaft zu einer Vierschanzentournee gefahren“ zu sein. Seine Athleten bestätigten ihn nicht.
18.700
Zuschauer verfolgten das Springen am Bergisel.
Während die derzeitigen Spitzenspringer aus Polen, Norwegen und Slowenien in Österreich große Flug-Kunst zeigten, schaute Deutschlands bester Springer Fernsehen. „Karle Kopf hoch“, stand auf einer Fahne im Stadion hoch über der Stadt. Erstmals seit März 2018 war Geiger am Dienstag in einer Weltcup-Qualifikation gescheitert.
Statt wie erhofft die Stärksten der ersten beiden Tourneespringen herauszufordern, schaute sich der Oberstdorfer den Wettkampf aus dem Teamhotel an. Mit einer Videobotschaft meldete er sich zu Wort. „Es ist extrem schade und bitter, aber ich werde nicht aufgeben“, sagte Geiger in dem Beitrag, der in der ARD während des ersten Durchgangs ausgestrahlt wurde.
Schon an diesem Donnerstag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) ist er in der Quali für den Tournee-Abschluss in Bischofshofen gefordert. Dort will sich Geiger wieder stabilisieren. Die Bergisel-Schmach soll ein Ausrutscher bleiben, spätestens zur WM in Planica im Februar soll die gute Form wieder da sein.
Dass ihn sein Patzer nachhaltig aus dem Tritt bringt, glaubt Horngacher nicht. „Nein, das sicher nicht“, sagte der 53-Jährige. „Karl hat schon so viele Höhen und Tiefen durchlebt. Der lässt sich nicht unterkriegen. Der kommt wieder nach oben – definitiv.“ Horngacher ergänzte: „Jetzt braucht er Hilfe von uns, von den Trainern.“ (dpa)
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