Karfreitag im Konzerthaus: Daniel Hope und Sofia Gubaidulina am Gendarmenmarkt

Opulenz und Askese treffen beim „Konzert am Karfreitag“ des Konzerthausorchesters aufeinander. Das Violinkonzert von Sofia Gubaidulina wird eingerahmt von sinfonischen Ausschnitten aus Richard Wagners „Parsifal“; die gedankliche Klammer ist hierbei der christliche Bezug beider Werke.

Das Konzert im großen Saal beginnt mit dem Vorspiel des Bühnenweihfestspiels „Parsifal“, dessen dritter Akt am Karfreitag spielt, weshalb das Werk oft an diesem Tag aufgeführt wird. Unter dem präzisen und gänzlich unprätentiösen Dirigat von Marc Albrecht vermeiden die Musiker:innen jedes schwülstige Pathos. Dabei entsteht ein kraftvoller und zugleich transparenter Streicherklang, der die gravitätischen Einwürfe der exzellenten Holz- und Blechbläser trägt und umspielt.

Nach diesem weihevollen Auftakt bietet das Violinkonzert Sofia Gubaidulinas den grösstmöglichen klanglichen Kontrast. Ihre schroffe, rhythmische Tonsprache beschwört ihre musikalischen Vorbilder Anton Webern und Alban Berg, vor allem aber Johann Sebastian Bach, dessen „Musikalisches Opfer“ gleich zu Beginn des Konzerts zitiert wird. Das 1980 entstandene Werk trägt den Beinamen „Offertorium”, des Teiles der Liturgie, welcher der Eucharistiefeier vorbehalten ist und an den Kreuzestod Jesu erinnert.

Die Solo-Violine wird stimmähnlich eingesetzt, mit Stammeln, Säuseln, Singen und Schreien. Es scheint, als verkörpere sie das Flehen und Hadern eines einzelnen Menschen angesichts übermächtiger Gewalt. Geschickt setzt Gubaidulina das gross besetzte Orchester als lautstark fordernden Gegenpol ein. Beispielsweise klingen die dissonanten Flatterzungen der Blechbläser wie Zeigefinger, die drohend ausgestreckt auf den Einzelnen deuten. Immer wieder gibt es kammermusikalische Dialoge zwischen dem Solisten und den Solostreichern sowie Celesta und Schlagwerk, dann wieder brachiale Tutti, in denen die Solo-Violine niedergeschrien wird.

Der Solist Daniel Hope, der in dem 40-minütigen Konzert fast ohne Pause gefordert ist, beweist höchste Ausdruckskraft und wird zu Recht gefeiert. In seiner sicher mit Bedacht gewählten Zugabe, einer Bearbeitung des „Kaddish“ von Maurice Ravel, vermag er nach diesem Kraftakt trotzdem sanft und elegisch zu spielen.

Der abschließende „Karfreitagszauber“ aus „Parsifal“ wirkt danach fast schon zahm. Es fällt nach der Expressivität Gubaidulinas schwer, Wagners romantisch tröstliche Klangvision vorbehaltlos aufzunehmen. Aber auch dieser innere Widerspruch, mit dem man in den verregneten Karfreitag hinaustritt, gehört zu diesem faszinierenden Abend.

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