Comiczeichnerin Elizabeth Pich: „Zischende Haut, zerberstende Särge, stöhnende Krankenschwester“
Wer hat sie künstlerisch geprägt? Was können sie gar nicht zeichnen? Und wie würden sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an ihren Comics ist? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihre Arbeit und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: Elizabeth Pich, deren international gefeierter Comic „Fungirl“ jetzt erstmals auf Deutsch erscheint.
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Schwer zu sagen. Manchmal beginnt es mit einem Dialog. Manchmal mit einer Explosion. Meistens schaukelt sich was hoch, sowohl in Wort wie im Bild.
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Ja, ich liebe es bei der Arbeit Musik zu hören. Beim Schreiben muss ich richtig niedrigschwellige Sachen hören. Fahrstuhlmusik, entsetzliches Smooth Jazz, oder Ambient Drone. Dabei kann ich nichts mit Gesang hören. Beim Zeichnen kann ich kognitiv-aufwändigere Sachen hören, da mein Gehirn mehr Raum zum Rumspringen hat. Ich höre dann Indie, oder Rap, oder Motown.
3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Am liebsten esse ich Schokolade beim Arbeiten. Das hält mich am Laufen. Ich versuche eine ordentliche Mittagspause zu machen, mit einer richtigen Mahlzeit, weg vom Schreibtisch. Ich trinke meistens Kaffee und alkoholfreies Bier.
4. Angenommen Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
„Calvin und Hobbes“.
5. Welche Zeichner/innen und Autor/innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Es gibt soviel inspirierende Autor/innen. Vermutlich waren es aber die Arbeiten von Shel Silverstein, Judy Blume, Bill Watterson, und Alison Bechdel.
6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Ich empfehle eigentlich immer Liv Strömquist. Das sollte verpflichtende Schullektüre sein.
7. Glauben Sie, dass der Comic aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
Nö, aber es wird besser. Der Comic wird von der Kunst belächelt. Comic ist ein Medium, das alles bietet: Humor, Eskapismus, Bildung, Fantasy, Erotik, und und und. Mehr Leute verstehen das inzwischen, aber es wird von vielen Erwachsenen und Institutionen als Unterhaltungsform nicht ernst genommen. Eigentlich finde ich diesen Versuch der Hochkultur-Definition albern und will da gar nicht mitmachen. Das hat aber leider Konsequenzen für Comic-Schaffende. Es gibt immer noch viel zu wenig Preise und Stipendien, bei denen Comic-Einreichungen willkommen sind. Das gefährdet die Zukunft von Comic-Schaffende enorm. Webcomics werden übrigens wiederum vom Comic belächelt. Die nimmt wirklich niemand ernst. Dabei gibt es viele Webcomic-Künstler (ich zähle dazu), die ohne das Internet nicht von ihrer Arbeit leben könnten. Man braucht wohl immer eine Zunft, auf die man herabschauen kann, haha.
8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/ innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie sie im Moment haben?
Fast alle, haha. Das letzte Buch, das ich gelesen habe und das mich umgehauen hat, war „Extra Végétalia“ von Gwénola Carrère.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Jemandem, der das Geld gut gebrauchen könnte.
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Action, Passion, Vergnügen! Explodierende Kronenkorken, zischende Haut, zerberstende Särge, stöhnende Krankenschwester, schwabbelnde Leichen, schleimtriefende Reptilien, in der Ferne Polizeisirenen.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Ich arbeite an einem neuen Buch, mit meiner Lieblingsfigur Fungirl.
12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comic-Autor/in zu werden – und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Wenn jemand Comics machen will, wird er sich vermutlich nicht von meinen Warnungen entmutigen lassen. Um als Comic-Mensch zu überleben, muss man stur sein und Kamel-artige Fähigkeiten haben. Wenn man das nicht hat, würde ich eher davon abraten.
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Besser als Sex.
14. Welche Noten hatten Sie im Kunstunterricht?
Mal fünfen, mal Einsen. Je nach Lehrer*in.
15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Nasen.