Den Playlisten trotzen: Warum Alben im Pop weiter relevant sind

Totgesagte leben länger. In der Popbranche wissen das vor allem die Betreiber*innen von Presswerken und die Inhaber*innen von Plattenläden. Seit dem Aufkommen der CD verweigert das Vinylalbum ja seinen oft prophezeiten Untergang, stattdessen wird die CD im Streamingzeitalter allmählich obsolet.

Auch dem Albumformat wurde angesichts der Playlist-Herrlichkeit von Spotify, Tidal, Deezer & Co. immer wieder vorhergesagt, dass es bald in die Grube fahre. Doch eintreten ist dieser Exitus bisher noch nicht. Zwar sind viele Alben inzwischen selbst wie Playlists aufgebaut – Ed Sheeran ist beispielsweise ein Großmeister darin, seine Werke ähnlich wie einen Streaming-Mix zu gestalten.

Ganz auf Alben verzichten wollen Musiker*innen deshalb aber trotzdem nicht. Denn sowohl künstlerisch als auch marketingtechnisch ergibt das Format immer noch Sinn. Mit Singles kann ein Newcomer auf sich aufmerksam machen, einen kleinen Hype starten – doch erst mit einem Debütalbum beweist man Relevanz und Ernsthaftigkeit.

Das hat auch Shooting Star Nina Chuba verstanden, die mit der Single „Wildberry Lillet“ im vergangenen Jahr einen Überhit hatte (bald neun Millionen Klicks bei YouTube) und im Februar ihr Debüt „Glas“ herausbrachte. Im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ sprach sie davon, dass ihr irgendwann klargeworden sei, „dass es ein Album braucht, um ein komplettes Bild von mir als Künstlerin zu zeichnen. Sonst bist du ne Person, die zerrissen ist in einzelne Puzzleteile, die du nicht zusammensetzen kannst.“

Außerdem sind Alben weiterhin nötig, um live spielen zu können – und somit überhaupt Geld zu verdienen. Mit drei Singles kann niemand auf Tour gehen. Das erklärt auch die derzeitige Schwemme von Neuveröffentlichungen: Miley Cyrus, Depeche Mode, Herbert Grönemeyer, Lana del Rey, Trettmann, um nur die Bekanntesten zu nennen, haben allein im März neue Alben herausgebracht.

Weiter geht es im April mit Element of Crime, Metallica, Feist, Smashing Pumpkins… Sie alle ziehen in diesem Jahr über die Bühnen der Welt. Ihre Fans werden während der Wartezeit die neuen Songs studieren und die Texte lernen. Und wer einen Plattenspieler hat, kann dabei die Covergestaltung bewundern.

Diese Kolumne erscheint alle zwei Wochen samstags und beschäftigt sich mit Popkultur-Phänomenen.

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