„Das ist unwürdig“: Die Bayern versinken trotz Titel im Chaos

Thomas Müller stand vor den Kameras und hatte keine Lust, das Offensichtliche auszublenden. „Ich glaube, alle, die sich für deutschen Fußball interessieren, haben unterschwellig so ein Gefühl, dass wir es eigentlich nicht verdient haben“, sagte er. „Und das spreche ich offen aus. Ich verstehe es. Unsere Rückrunde war auf und neben dem Platz chaotisch.“

Widersprechen konnte ihm da kaum jemand. Zumal das Chaos des FC Bayern mit dem Abpfiff noch nicht zu Ende war. Es ging erst richtig los damit. Es war nämlich soeben durchgesickert, dass der Klub große personelle Veränderungen vornehmen wird. Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic werden von ihren Aufgaben entbunden. Klubpräsident Herbert Hainer bestätigte am Samstagabend entsprechende Berichte von „Kicker“ und „Bild“.

In einer Pressemitteilung äußerte Aufsichtsratschef Hainer zu Kahn: „Die Entscheidung, sich von Oliver Kahn zu trennen, hat sich der Aufsichtsrat alles andere als leicht gemacht. Dennoch sind wir aufgrund der Gesamtentwicklung zu dem Entschluss gekommen, eine Neubesetzung an der Spitze des Vorstands vorzunehmen.“ Kahn werde „immer eine große Persönlichkeit des FC Bayern bleiben“. 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ursprünglich waren Zukunfts-Entscheidungen erst auf der auf den kommenden Dienstag verschobenen Aufsichtsratssitzung erwartet worden. Es hatte aber nun schon zuvor eine außerordentliche Sitzung des Gremiums um Ehrenpräsident Uli Hoeneß gegeben. Nachfolger von Kahn wird Jan-Christian Dreesen. Der Finanzvorstand sollte den Verein eigentlich in Kürze verlassen. Kahn fehlte am Samstag bereits im Kölner Stadion, eine Grippe wurde aus Vereinskreisen als Grund genannt.

Die Meldung war etwas früh, aber nicht völlig unerwartet gekommen. Auch wenn sie zu dem, was sich auf dem Rasen abspielte, nicht recht passen wollte: Der FC Bayern sicherte sich am Samstag an einem höchst dramatischen Nachmittag seine elfte Meisterschaft in Folge nach einem 2:1 (1:0)-Erfolg in Köln. Man sah Salihamidzic jubeln wie ein kleines Kind, und der kranke Oliver Kahn twitterte: „Unglaublich! Ein ganz großes Kompliment und Gratulation Jungs! (…) Ich freue mich auf die nächste Saison. Da werden wir nicht nur zum 12. Mal deutscher Meister werden!“ Später konnte er via TV zusehen, wie sein Nachfolger Dreesen in seiner Funktion als DFL-Präsidiumsmitglied den Bayern die Meisterschale überreichte.

Auf dem Platz herrschten teils chaotische Zustände

Das alles machte nicht den Eindruck, als wären die beiden schon darüber unterrichtet worden, dass sie dieses mögliche 12. Mal nicht mehr in verantwortlicher Position bei den Bayern erleben werden. Oder aber sie machten gute Miene zum bösen Spiel. Der ganze Vorgang passte zum FC Bayern in dieser Spielzeit, in der die Kommunikation nach innen wie nach außen ein Desaster war.

„Das ist unwürdig“, sagte der ehemalige Bayern-Spieler Didi Hamann im Bezahlsender Sky. Wenn der FC Bayern denke, dass es so besser werde, werde er sich „umschauen“. Er habe „überhaupt kein Verständnis“ für den Vorgang, sagte Hamann. „Das ist dem FC Bayern unwürdig. Sie müssen aufpassen, dass sie sich nicht auseinanderdividieren.“

Aber auch auf dem Platz herrschten, wie von Thomas Müller angesprochen, teils chaotische Zustände. Dabei hatte alles so wunderbar angefangen aus Sicht der Bayern. Kingsley Coman brachte die Münchner mit einem herrlichen Treffer früh in Führung. Und der BVB lag früh zurück. Doch die Mannschaft ist in dieser Saison ein fragiles Gebilde, beispielhaft dafür war auch das Spiel gegen Köln. Teilweise von der Rolle präsentierte sich die Mannschaft, der Ausgleich von Dejan Ljubicic war die logische Konsequenz.

Und es war einigermaßen erstaunlich, dass Jamal Musiala in der 89. Minute den Siegtreffer erzielte. Der Nationalspieler war zuletzt für seine mangelnde Effektivität kritisiert worden. Zu oft dribbelte er sich fest, verpasste den richtigen Pass oder richtigen Abschluss. Am Samstag hätte er für einen tröstlichen, feierlichen Saison-Abschluss sorgen können. Doch dafür ist das Chaos, das der Klub dieser Tage stiftet, wohl einfach zu groß. Tsp (mit dpa)