Boutique-Messe mit persönlichem Touch: Kunst zum Jahresende

Nein, eine kleine Art Brussels sei die Art Antwerp nicht, betont Nele Verhaeren, die Direktorin beider Messen ist. So gebe es hier beispielsweise keine Sektoren, die den Sammlern die Auswahl erleichtern. Aufgrund der Übersichtlichkeit der Messe kommen alle Besucher automatisch an jedem Stand vorbei und nehmen so das ganze Angebot wahr.

Zwei bis drei Stunden, so Verhaeren, reichten für einen Rundgang aus. Das stimmt zwar, wer jedoch tiefer einsteigen will und gerne mit den Ausstellern ins Gespräch kommt, kann locker auch einen ganzen Tag auf der Art Antwerp verbringen.

72 Galerien aus zwölf Ländern nehmen an der dritten Ausgabe der jungen Messe teil. Das sind drei mehr als im vergangenen Jahr. Weiter wachsen will die Messe nicht. Die Hälfte der Aussteller kommt aus Belgien, die andere Hälfte aus dem Ausland. 20 Prozent der Teilnehmer kommen aus Antwerpen selbst. Somit ist die Messe auch in der lokalen Szene fest verankert.

Die Art Antwerp versteht sich als Boutique-Messe mit einem stark persönlichen Touch, bei der die Galeristen überwiegend selbst an ihren Ständen stehen und nicht durch Mitarbeiter vertreten werden. Die Galerien haben Carte Blanche für das, was sie zeigen. Man kann sich nicht für die Art Antwerp bewerben. Alle Teilnehmer werden von einem international besetzten Komitee eingeladen.

36 Prozent der Galerien haben sich in diesem Jahr für eine Solo- oder Duo-Präsentation entschieden. So zeigt die Amsterdamer Galerie Fontana ausschließlich Arbeiten des französisch-luxemburgischen Künstlerpaars Martine Feipel & Jean Bechameil. Ins Auge fällt hier eine ganze Reihe von Vogelhäuschen aus bunt glasierter Keramik, die bereits im Pariser Museée de la Chasse et de la Nature ausgestellt wurden. Die Unikate sind für jeweils 3600 Euro im Angebot.

Für die belgischen Sammler, die für ihre Vorlieben für das Absurde, Ironische und Surreale bekannt sind, ist die Art Antwerp eine wahre Fundgrube. Malerei, Collagen und Textarbeiten von Künstlern aus Belgien sind auf der Messe sehr präsent. So auch am Stand von Kristof De Clercq aus Gent, der den 1965 geborenen Antwerpener Peter Morrens präsentiert. Tuschezeichnungen auf Schulheftseiten mit skurrilen Textbotschaften, die Morrens im Stadtraum aufschnappt oder sich selbst ausdenkt, sind für jeweils 1100 Euro günstig zu haben. Aber auch eine Auswahl von Gemälden ist zu sehen, darunter die Darstellung einer visuell sehr reizvollen Atelierwand mit zehn ganz unterschiedlich ausge-arbeiteten Bildideen, die Einblick in seinen prozesshaften, teils auch destruktiven Umgang mit dem Fetisch Bild geben. Die 100 x 70 cm große Arbeit „Preparations/Positions“ kostet 6900 Euro.

Ebenfalls aus Gent angereist ist die Galerie Tatjana Pieters. Sie zeigt transluzente Wandarbeiten aus ausgemusterten Isolierglas-fenstern der 1978 geborenen Niederländerin Anneke Eussen, die von der Minimal Art und dem Konstruktivismus inspiriert sind. Auch am Stand: figurative Gemälde von Hans Vanderkerckhove. Der 1957 in Westflandern geborene Belgier verwebt eigene Eindrücke mit kunsthistorischen Referenzen. Das Preisspektrum reicht hier von 5000 bis 13.000 Euro.

Stärker als auf der letzten Ausgabe der Messe ist das Medium Fotografie vertreten. So etwa bei der Pariser Galerie Clémentine de la Féronnière, die mit dem 1929 geborenen ghanaisch-britischen Fotografen James Barnor einen der wichtigsten Vertreter der afrikanischen Studiofotografie zeigt. 2021 wurde er von Hans Ulrich Obrist in einer viel beachteten Retrospektive in der Londoner Serpentine Gallery gezeigt. Im Angebot sind sowohl kleinformatige Vintage-Unikate des 94-Jährigen als auch ein neuer großformatiger Print einer 1966 im Swinging London entstandenen Farbfotografie, die das farbige Model Erlin Ibreck zeigt, wie sie einem Jaguar entsteigt. Die Aufnahme entstand für das südafrikanische Magazin „Drum“, das für die Anti-Apartheid-Bewegung von zentraler Bedeutung war. Vintage-Abzüge ab 4500 Euro, Farbfotografie 18.000 Euro.

Als Brückenbauer zwischen Berlin und Antwerpen betätigt sich die von Marta Gnyp und Giovanni Springmeier geleitete Gnyp Galerie in Charlottenburg. An ihrem neu eröffneten zweiten Standort in Antwerpen bieten die beiden auch Residencies an. Am Stand unter anderem zu sehen sind zwei abstrakte Gemälde mit überwiegend gelbtonigen Farbverwirbelungen des 27-jährigen chinesischen UdK-Absolventen Kaifan Wang. Sie sind vor Ort während einer Residency entstanden und wurden bereits am ersten Messetag verkauft.

Ebenfalls aus Berlin angereist ist die Galerie Burster. Hier fallen insbesondere die Arbeiten von Alex Feuerstein, Jahrgang 1981, ins Auge. Seine dunkeltonigen, figurativen Gemälde mit Protagonisten, die in spärlich möblierten Interieurs in bizarre Handlungen verstrickt sind, fanden bereits am ersten Messetag großen Anklang. Die Gemälde entstehen in Öl und Pigment auf Holz und erhalten ihren besonderen Reiz durch das delikate, mal matte, mal glänzende Finishing mit flüssigem Kunstharz. 

Insgesamt setzt die letzte größere internationale Messe vor dem Weihnachtsfest auf frische, unverbrauchte und oftmals farbintensive Werke im mittleren Preissegment überwiegend aus den Medien Malerei und Skulptur. Im Auge hat die Messe dabei neben den etablierten Sammlern auch eine eher jüngere Klientel aus High-Net-Worth-Individuals, die über genügend frei verfügbares, oftmals ererbtes Kapital für spontane Käufe verfügen. Der mittelständische Arzt oder Rechtsanwalt dagegen, der sich über die Jahre wohlüberlegt eine konsistente Sammlung aufbaut, wird, so berichtet es ein erfahrener Händler, allmählich zum Auslaufmodell.