Es gab schon mal mehr Kooperation

Es knirscht zwischen den Künstler:innen der Stadt und der Berliner Politik. Zwar bestimmt der Krieg in der Ukraine im Moment auch die Diskussionen im Kulturbetrieb, doch der Boykott rund um die umstrittene „Kunsthalle Berlin“ schwelt weiter. Das private, öffentlich mitfinanzierte Ausstellungsprojekt im ehemaligen Flughafen Tempelhof war im Rahmen einer viel kritisierten „Public Private Partnership“ entstanden.

Im Zentrum: einzelne Politiker, russlandfreundliche Netzwerke und der ausschließlich mit Verwaltungsangehörigen besetzte Aufsichtsrat der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH, die die Flughafen-Flächen als Kulturstandort entwickeln soll. Im Aufsichtsrat fehlten Künstler und Stadtentwicklungsexpert:innen jenseits der Politik, das führe zu Fehlentscheidungen, heißt es aus dem Berufsverband Bildender Künstler:innen Berlin (bbk berlin).

Zuständigkeitschaos gefährdet bestehende Ateliers

Jetzt steht eine weitere landeseigene GmbH in der Kritik. Dieses Mal im Zusammenhang mit den vom Land geförderten Arbeitsräumen. Die Künstler aus der Lichtenberger Ateliergemeinschaft Herzbergstraße 127 wendeten sich Anfang März in einem Brandbrief an Kultursenator Klaus Lederer.

Die Mietverträge für ihre Studios liefen Ende März aus, eine Verlängerung, normalerweise nur eine Formalität, sei nicht in Sicht. Die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), die im Auftrag des Landes den Generalmietvertrag hält, konnte die Untermietverträge bis kurz vor knapp nicht verlängern, weil die Kulturverwaltung die notwendigen Mittel nicht freigab. Erst am Freitag vergangener Woche kam das „Go“. Andere Atelierstandorte in Neukölln und Kreuzberg, deren Mietverträge in diesem Jahr verlängert werden müssen, bangen weiter. Was ist los?

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„Es gibt Zuständigkeitschaos“, sagt Bernhard Kotowski, Geschäftsführer des Kulturwerks des bbk berlin. Vorausgegangen ist eine Neuerung, die die Senatsverwaltung für Kultur und Europa im Februar 2021 eingeführt hat, eigentlich um Ateliers zu sichern und neue Arbeitsräume zu schaffen, so wie es im Koalitionsvertrag steht. Die 2021 neu geschaffene, landeseigene „Kulturraum Berlin GmbH“ soll sukzessive die Generalmieterschaft für die vom Land geförderten Ateliers übernehmen und sie bewirtschaften. Offenbar hat sich das bisher nicht eingespielt.

Wie gut arbeiten landeseigene GmbHs?

Die Arbeitsräume für Bildhauer und Maler – an die 1000 sind es aktuell – werden seit 1993 über das „Atelieranmietprogramm“ verwaltet. Zuständig für die Auswahl der förderberechtigten Künstler:innen ist das Atelierbüro des bbk berlin, die GSE tritt als Generalmieterin für die Ateliers aus landeseigenen und privaten Beständen auf. Was aus Sicht der Künstler:innen gut funktioniert, eine aus den eigenen Kreisen organisierte strukturelle Förderung für Künstler:innen, hat auch international Modellcharakter.

Kotowski kritisiert nun fehlende Transparenz seit der Umstrukturierung. Es sei nicht klar, wer für was zuständig sei, wie viel Geld zur Verfügung stehe und welche Standorte die Kulturraum GmbH künftig entwickeln wolle. Bestehende Mietverträge seien durch die unklare Situation gefährdet. „Offenbar sollen die freien gemeinnützigen Träger wie direkt die Gesellschaft für Stadtentwicklung GSE und indirekt das Atelierbüro des bbk berlin aus dem Atelieranmietprogramm herausgedrängt werden“, so Kotowskis Eindruck.

Die Bereitschaft der Verwaltung, mit der Zivilgesellschaft aus dem künstlerischen Bereich zusammenzuarbeiten, sei aus seiner Sicht schon mal viel größer gewesen. „Die Künstlerschaft wurde von den Verwaltungen und vom Abgeordnetenhaus als Partner akzeptiert und respektiert. Das ist in großem Umfang verloren gegangen“, so Kotowski. 

Betriebswirtschaftliches Denken statt Beteiligung

Weniger Zivilgesellschaft, mehr öffentliche Verwaltung? Er halte das nicht für den Wunsch nach mehr Staatskontrolle, sondern im Gegenteil, für eine Folge der neoliberalen Governance aus den neunziger Jahren, so Kotowski. Staatshandeln werde betriebswirtschaftlich aufgefasst, immer mehr Aufgaben von landeseigenen Gesellschaften übernommen. Diese arbeiteten außerhalb der öffentlichen Diskussion und seien parlamentarisch kaum noch zu kontrollieren.

Was nun im Rahmen der Ateliervergabe offenbar nicht mehr kontrolliert wird, sind Förderkriterien wie Einkommensgrenzen und Dringlichkeit. Das führt dazu, dass auch Künstler mit höheren Einkommen geförderte Ateliers behalten können. Wegen Krankheitsfällen steht die Antwort der Kulturverwaltung dazu noch aus.