Chili con Mozart
Als die großen Orchester wegen Corona nur noch Kammermusik spielen durften, drohten sie den Kammerensembles damit das Wasser abzugraben. Das Mahler Chamber Orchestra und der Pianist Leif Ove Andsnes halten beherzt dagegen und bringen im Berliner Kammermusiksaal einen funkelnden, gleißenden Mozart zu Gehör, mit voluminösen Tutti, deftig und duftig zugleich.
Noch das melancholisch-schwebende Adagio des A-Dur-Klavierkonzerts KV 488, das Vikingur Olafsson und das DSO Ende Oktober in der Philharmonie als Hymne auf die Behutsamkeit angelegt hatten, lassen sie kraftvoll pulsieren (wie auch die Zugabe, den zauberischen Mittelsatz des C-Dur-Klavierkonzerts KV 467).
Fast logisch, dass der Finalsatz dann in trotzigen Überschwang mündet. Wobei man sich von Andsnes etwas mehr dynamische und artikulatorische Differenziertheit wünschte, auch wenn sein natürlicher Duktus und die perlenden Läufe Sogkraft entfalten.
Das Berliner Konzert ist Teil des „Mozart Momentum“-Projekts, einer internationalen Tournee samt CD-Einspielung (Deutsche Grammophon), bei denen die drei Dutzend Orchestermitglieder aus ganz Europa zusammen mit Andsnes Mozarts immens produktive, vielfältige Kompositionsjahre 1785 und 1786 erkunden. Schon deshalb vermisst man bei Andsnes die Vielfalt.
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Wenn das Ensemble, wie häufig ohne Dirigent, in der Prager Symphonie dann seinerseits auf Kontraste und Plastizität setzt, kommt tatsächlich der Dramatiker Mozart zum Vorschein, der Opernmensch, der komplexe Charaktere zu konturieren weiß. Hier erklingt keine wohlig süßliche, sondern scharf gewürzte Wiener Klassik, mit hart angerissenen Saiten, aber auch mit somnambulen Momenten der Holzbläser. Wegdämmern und wieder Fahrt aufnehmen: Das Mahler Chamber Orchestra legt mehr Wendigkeit und Farbenreichtum an den Tag als ihr Mitstreiter am Steinway-Flügel.
In der Kadenz des c-Moll-Konzerts KV 491 hält der norwegische Pianist dann aber doch inne, wechselt fein die Stimmungen. Das Einfache ist bekanntlich das Schwerste: Im volksliedhaften Larghetto paart sich Grazie mit Empfindsamkeit, im abschließenden Variationssatz beschwören Flöte und Oboe ländliche Idyllen. Und das düstere, an „Don Giovanni“ gemahnende Werk hellt sich unversehens auf. Große Begeisterung im Saal.