Kommerz killt Kunst

„Alles passt zu sich selbst“, hat Katharina Sieverding in Großbuchstaben notiert und als plakativen Digitalprint dem Salon Burda zur Verfügung gestellt. Prominent hängt die Arbeit „Headlines“ am Eingang zum letzten Projekt des Salons in der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße in Mitte. Es korrespondiert mit der Soloschau der Künstlerin im Museums Frieder Burda in Baden-Baden.

Man muss jedoch bloß die Treppe in den dritten Stock nehmen, um zu erkennen, dass in der Mädchenschule kaum noch etwas zueinander passt. Vor allem nicht die aktuelle Nutzung mit dem ursprünglichen Konzept. „Exibitions 3. Etage“ steht im Treppenhaus an der Wand – und wirklich würde man die letzten verbliebenen kulturellen Inseln ohne diesen Hinweis nicht mehr finden.

Eigen + Art Lab, das Kennedy Museum, Camera Work, der Pauly Saal: alle weg. Wundert es da noch, wenn Patricia Kamp als künstlerische Leiterin des Salons verkündet, sie habe nach „reiflicher Überlegung“ entschieden, diesen Standort in seiner aktuellen Entwicklung zu überdenken und nicht in die Verhandlungen um eine mögliche Verlängerung zu gehen“.

Vor diesem Hintergrund wirkt Sieverdings Kommentar wie bitterböse Ironie. „Ich habe dieselben Schmerzen“ verkündet sie ebenfalls in dieser Arbeit – und auch sie lassen sich angesichts der von Kamp kritisierten „zunehmenden Kommerzialisierung unseres Mieterumfeldes“ nachvollziehen.

Vor nicht einmal zehn Jahren hat der Galerist Michael Fuchs das einzigartige Gebäude von der jüdischen Gemeinde anvertraut bekommen. Für ein Galeriehaus, das die Auguststraße kulturell aufwerten sollte. Inzwischen macht sich dort anstelle von Galerien hier jedoch „Itsapark“ breit: mit Bürotristesse bis hin zu den offenbar unvermeidbaren Lamellenvorhängen – die den sensiblen Umbau der Architekten Grüntuch und Ernst vor Jahren total unterlaufen.

In das Galeriehaus ist H&M eingezogen

„Itsapark“, das ist die Onlineplattform des Modegiganten H & M, und es fällt schwer, in diesem Mietverhältnis einen kulturellen Mehrwert zu entdecken. Während Corona wuchs „Itsapark“ munter weiter – von einer Etage hat sich das Unternehmen inzwischen auf drei ausgeweitet. In der wunderbaren Turnhalle der Schule, einst das Herzstück der Galerie Fuchs im 3. Stock, sitzt nun, so ist zu hören, der CEO. Fuchs, der damals auch Ateliers versprach, hat das Haus für 20 Jahre mit Option auf ein weiteres Jahrzehnt gemietet und tritt wiederum als Vermieter auf. Mit 15 zu eins stimmten damals die Repräsentanten der jüdischen Gemeinde für sein Projekt eines Galeriehauses, mit dem er Mitbewerber wie C/O Berlin aus dem Feld schlug.

C/O Berlin bezog dann das Amerika- Haus am Bahnhof Zoo und machte es zu einem lebendigen Ort. Bei den Eröffnungen der Ausstellungen von zeitgenössischer Fotografie stehen die Leute in langen Schlangen an wie schon vor dem Alten Postfuhramt an der Oranienburger Straße. Die Mädchenschule hingegen ist atmosphärisch erledigt, und nun geht das letzte Highlight. „Die Gründe der Entscheidung für einen Ortswechsel liegen auf der Hand“, sagt Kamp. „Vor diesem Hintergrund sehen wir uns in keiner Weise mehr am richtigen Platz. Dass ein so geschichtsträchtiger, ja geradezu mythischer Ort des Berliner Kunstlebens wie der Historie der Hauptstadt einer rein merkantilen Nutzung geopfert wird, verfolgen wir schon länger und bedauern dies überaus.“

Fuchs hat seine Galerie noch dort, allerdings in kleineren Räumen und nur drei Tage pro Woche geöffnet. Ein Galeriebetrieb ist das nicht, eher die Minimallösung als Feigenblatt. Christiane Meixner