Aus vollem Kehlchen
Auch sie sind zurück! Nach dem Corona bedingten Ausfall im Vorjahr präsentieren sich die kleineren Satellitenmessen um die Art Basel in bester Verfassung. Während die nun auf dem Messegelände ausstellende „Liste“ Zukunftstrends in der installativen Kunst ausmacht und vor allem die Generation Teletubbies ins Visier nimmt, wirkt die 16. Ausgabe der Volta Art Fair geradezu gediegen. In der frisch renovierten Halle des früheren Heizkraftwerks wetteifern 69 Galerien aus fünf Kontinenten um die Gunst der Sammler:innen.
Im Malerei-Angebot stechen vor allem die Galeria Contrast aus Katalonien mit Rafael Bestard, Abbas Nasle Shamloo bei Saradipour aus Teheran oder Sam Burford bei Fiumano Clase aus London hervor. Eine der ebenfalls herausragenden Positionen ist Tom Deininger. Täuschend echt mutet sein Rotkehlchen an. Mit knapp einem Meter Höhe bekommt der possierliche Vogel einen großen Auftritt, der aus einigem Abstand fast anrührend naturalistisch wirkt. Doch der rote Bauch entpuppt sich als Plastiknetz, das Köpfchen als Metall, der Schwanz ist aus verrottetem Draht. Naturromantik und Trash treffen sich in den Arbeiten des 1970 in Boston geborenen Künstlers auf ebenso kongeniale Weise wie mit perfidem Charme.
Was auf der einen Seite so niedlich daherkommt, breitet auf der anderen unseren Zivilisationsmüll als geballtes Chaos aus. Der Tod reist mit, wie weiland in dem Gemälde „Die französischen Botschafter in London“ von Hans Holbeins d. J. Deiningers Transformationen der Anamorphose in die Trash-Skulptur kosten am Stand der New Yorker Galerie Ethan Cohen zwischen 25.000 und 32.500 Dollar.
Die weltweiten politischen Themen finden sich auch auf der Messe „Photo Basel“. Hüfttief steht sie im Wasser: Florence Abraham aus Igbogene in Nigeria. 2012 hat der Südafrikaner Gideon Mendel die Bäckerin nach einer Flutkatastrophe fotografiert. Gleich daneben steht Carol Schaefer auf den Trümmern ihres Hauses, das 2020 Opfer der Brände in New South Wales wurde. Die Feuer sind verloschen. Wenn trotzdem etwas wie eine züngelnde Flamme wirkt, so ist es das Resultat eines weiteren Fiaskos. Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen hat über 3000 Kunstwerke im nahe Aachen gelegenen Lager der Galerie Artco vernichtet oder beschädigt. So sind an Mendels Fotografien nicht nur die Spuren von Wasser- und Schlammspritzern sichtbar, manche sind so ausgewaschen, dass neue, fast malerisch abstrakte Werke entstanden sind (Preise: 3300-5800 Franken).
Malerisch abstrakt muten auch die Arbeiten von Jessica Backhaus an. „Das ist ganz klassische Fotografie“, erklärt dagegen der Berliner Galerist Robert Morat. Backhaus baut DIN-A4-Collagen aus Transparentpapier auf Karton, die sie anschließend der Sonne aussetzt. Die lässt Wölbungen, Knicke und Schatten entstehen, die in der Vergrößerung zu faszinierenden Formen und Schichtungen werden, deren Hintergrund bisweilen an den Putz von Hauswänden erinnert (ab 3200 Franken).
Klassiker gefällig? Dafür stehen Irving Penn oder Inge Morath
Klassiker vertreten Thierry Marlat aus Paris mit Irving Penn und Clair by Kahn aus Zürich mit Inge Morath. Eine klassische Entdeckung ist der 1929 geborene Schweizer Roger Humbert, dessen konkrete Fotografien und Fotogramme bei Fabian & Claude Walter zu bewundern sind (5000-14 000 Franken). Ein Vintage-Kabinett sowie eine Hommage an Arnold Odermatt runden das ausgezeichnete Programm der Photo Basel ab.
Mit der Paper Positions hat sich in Basel eine weitere Spezialmesse aus Berlin etabliert. Die fällt pandemiebedingt jedoch kleiner aus. Da das einstige Atelier von Dieter Roth im ersten Stock nicht mehr frei war, bespielen die 17 Galerien aus acht Ländern die Halle im Erdgeschoss der historischen Druckerei im Ackermannshof.
Aus körnigem, ungrundierten Papier gestaltet Tilmann Zahn hier amorphe Reliefs, die an Schattenspiele denken lassen. Ihren charmant morbiden Charakter erhalten die zwischen Zeichnung und Objekt schillernden Arbeiten durch ein Ölbad, vertreten wird Zahn von Wiener Galerie Ulrike Hrobsky.
Nicht nur dem Zufall überlässt Matthias Pabsch bei Pamme-Vogelsang aus Köln den Gestaltungsprozess. Die abstrakten Strukturen seiner „Sporagraphien“, die an frühe Fotogramme erinnern, lässt er direkt von Pilzsporen fertigen. Nur zwei Beispiele der faszinierenden Bandbreite der Arbeiten auf, aus und mit Papier, für die der Genius Loci einmal mehr das perfekte Ambiente bietet.
Alle Messen bis 26. September., voltaartfairs.com/basel; photo-basel.com und paperpositions.com/basel