Klimawandel, Heizungsstreit, Hitzewelle: Die gesellschaftliche Temperatur steigt

Eine Nachricht am Rande: Im Süden der USA hat der Wettermann eines Fernsehsenders seinen Job aufgegeben, weil Radikale ihn und seine Familie bedrohen. Dabei wollte er nur auf den Zusammenhang von menschengemachtem Klimawandel und den allgegenwärtigen Naturkatastrophen hinweisen. Das passt nicht in das Weltbild der Leugner, die schon die Existenz von Corona bestritten. Ein klassisches Krisensyndrom: Je größer der Schmerz und der Schaden, desto massiver die Ignoranz. Es zeigt sich dort auch bei den alltäglichen Schießereien und Amokläufen.

46 Grad in Phoenix, Arizona. Weite Teile der USA leiden unter sengender Dauerhitze. So wie Spanien und Griechenland. Die Akropolis wird geschlossen, unter solchen Bedingungen ist der Aufstieg zu riskant. Für Sizilien wurden 48 Grad vorhergesagt. Bei uns reicht es auch schon an die 40 Grad: inflationäre Zahlen. Muss man sich daran gewöhnen? In Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, geht das Trinkwasser aus. Südamerika mag weit entfernt sein. Aber gefühlt, wie in den Wetterberichten, rücken uns die Dramen näher. Und auch faktisch: Dürre in Norditalien, schlimme Trockenheit in Brandenburg.

Hitze – eine umfassende Metapher

„The heat is on“, wie es in einem Popsong heißt, „on the street, inside your head.“ Inzwischen aber ist das kein individueller Ausnahmezustand, keine Liebesglut mehr, sondern ein vielschichtiges Szenario. Es bedroht die Gesundheit, die Natur und Landwirtschaft, dämpft die Arbeitslust und Leistung, es belastet fundamental den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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Schon zeigt sich der Klimawandel als soziale Umwälzung. Hat man sich früher bei Hitzefrei in der Schule gefreut, wird es heute ungemütlich und eng. Männer mit kurzen Hosen im Büro? Warum nicht? Klimaanlagen gelten hierzulande als exotisch. Man könnte ins Kino gehen, da bleibt es kühl. Urlaub im Süden, das war einmal ein Traum. Ein Haus in der Toskana gebucht? Manch einer bedauert das jetzt. Dann lieber nach Schweden.

Rüdiger Schaper ist Kulturpolitischer Korrespondent des Tagesspiegels und kommt gerade zurück aus dem Urlaub, vor der Hitzewelle im Süden Europas. Manchmal träumt er von einer Klimaanlage in der Wohnung, was fürs Klima auch nicht gut ist.

Der Winter war mild. Und zum Ferienbeginn gibt es die Klimarechnung. Die Heizkosten mögen nicht so heftig ausgefallen sein wie befürchtet. Dafür kommt – und der Zusammenhang liegt auf der Hand – die irre Hitze. Eine bittere Ironie liegt darin. Während das Land fast schon im Panikmodus über Heizungen und Wärmeerzeugung streitet, warnen Mediziner und Behörden vor dem Hitzetod.

Erhitzte Gemüter, aufgeladene Atmosphäre. Man muss kein Apokalyptiker sein, um das Sieden im Kessel zu bemerken. Wenn Marc Zuckerberg und Elon Musk in den Ring steigen und die Vorherrschaft in den Sozialen Medien auskämpfen wollen, ist das eine tolle Nummer für den globalen Boulevard. Der PR-Coup zeigt auch, wie das Digitale und das Physische korrespondieren – bis zu den idiotischen Prügeleien und Pöbeleien im Freibad. Ein Shitstorm hat schon im Begriff etwas Naturgewaltiges. Nicht nur Tinder brennt wie Zunder.

Die gesellschaftliche Temperatur steigt. Man könnte auch sagen, es wird sozial kälter. Es meint das Gleiche. Als hätte jemand die Büchse der Pandora ausgeschüttet. Auf die Pandemie folgte der russische Angriff auf die Ukraine. Und jetzt auch noch die Hitzewelle. Und die Invasion der Wärmepumpen, die den Bürgern das Blut aussaugen wollen. Schuld an all diesen Zumutungen ist die Regierung, irgendwie. So kommt es vielerorts an. So schlachten es die Rechtsextremen aus und legen in Umfragen zu. Die Debatten im Bundestag werden aggressiver geführt, die Zündschnüre wirken kürzer.

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Hitze – eine umfassende Metapher. Sie herrscht draußen und sie brütet in uns drin. Längst ist der wissenschaftliche Nachweis gelungen, dass die Erderwärmung keine naturgegebene Ursache hat, sondern auf unseren Lebensstil zurückgeht. Doch diese Einsicht, Hitzerekorde hin oder her, lässt sich politisch nur schwer vermitteln mit allen praktischen Konsequenzen. Gab es nicht schon immer heiße Sommer?

Vielleicht aber liegt in der Gluthitze dieser Tage auch eine Chance. Vielleicht begreifen ein paar Klimaleugner, dass die Erde keine Scheibe ist, die man bei Bedarf umdreht und neu abspielt. Und Phönix steigt klüger aus der Asche.