Vor einem Jahr plötzlich ohne Verein, nun vor dem Triple
Ende März 2020 kam die Absage der Olympischen Spiele wegen der Coronavirus-Pandemie. Die Entscheidung traf Britt Eerland hart, die Niederländerin wollte sich noch für Tokio qualifizieren, hatte dafür ein halbes Jahr hart gearbeitet.
Eine Woche später gab ihr Team, Tischtennis-Bundesligist TuS Bad Driburg, bekannt, wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zukünftig nicht mehr in der Liga anzutreten. Als Vizemeister. Für Eerland stellte sich somit auch die große Frage: Wie geht es finanziell weiter?
Seitdem sind knapp 13 Monate vergangen. Britt Eerland spielt für den TTC Eastside. Mit den Berlinerinnen hat sie die Champions League und den deutschen Pokal gewonnen. Aus einer schwierigen Spielzeit – unter anderem wurden mehrere Partien kurzfristig abgesagt – hat das Team das Optimum herausgeholt. „Wir können sehr stolz sein. Bis jetzt war es eine perfekte Saison“, sagt die 27-Jährige.
Nun bietet sich die Chance, die Saison auch perfekt enden zu lassen. Das erste Finalspiel um die deutsche Meisterschaft hat Titelverteidiger Eastside am Sonntag bei der DJK Kolbermoor 5:3 gewonnen, wobei die letzten Einzel beim Stand von 5:1 nicht mehr stattfanden. Am Samstag reicht in der Sporthalle am Anton-Saefkow-Platz (13 Uhr, wieder ohne Zuschauer, live bei sportdeutschland.tv) ein 4:4 zum Titelgewinn. Siegt Kolbermoor, fällt die Entscheidung am Sonntag.
Die schweren Wochen im Frühling 2020 scheinen inzwischen weit weg zu sein. Vergessen hat Britt Eerland sie nicht. „Ich hatte schon ein bisschen Panik“, sagt sie rückblickend. „Aber ich war trotzdem zuversichtlich, dass ich etwas finden werde. Ich wollte kämpfen.“ Damals stand sie erstmals unter den Top 30 in der Weltrangliste. Das schaffen in der vor allem von den Chinesinnen dominierten Sportart nicht viele Europäerinnen.
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Es gab schnell Gespräche mit potenziellen neuen Vereinen, doch Eerland war in keiner guten Position: Die Zeit drängte, weil viele Klubs in ihren Planungen schon sehr weit waren. Dazu kam die unsichere Situation wegen Corona.
Dann meldete sich Eastsides Manager Andreas Hain. Nach 20 Minuten war alles geregelt. Eastside bekam fast auf den Tag vor einem Jahr noch eine Topspielerin und Eerland landete bei der besten Adresse im Frauen-Tischtennis hierzulande. „Das war ein kleiner Traum von mir, seit ich das erste Mal bei einem deutschen Verein gespielt habe. Besser geht es nicht“, sagt Eerland. 2013 war sie von ihrem Heimatklub TTV Schiedam zur TTG Bingen/Münster-Sarmsheim gewechselt.
Britt Eerland wohnt in Schiedam bei Rotterdam, reist immer zu den Spielen an. Sie hat EM-Medaillen mit der Mannschaft und im Doppel gewonnen und war Einzelmeisterin ihres Landes. In der Weltrangliste ist sie auf Rang 28 die mit Abstand beste Niederländerin.
Die Erwartungen noch übertroffen
Eerland hat großen Anteil daran, dass Eastside kurz vor dem vierten Triple der Vereinsgeschichte steht. „Sie hat sich sofort gut integriert und ist wichtig für den Teamgeist“, sagt Klubpräsident Alexander Teichmann. „Sportlich hat sie unsere Erwartungen noch übertroffen.“
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In der Bundesliga spielt sie im unteren Paarkreuz. Da sind die Gegnerinnen vom Papier her leichter, dafür ist der Druck zu punkten größer. „Das war für mich eine neue Erfahrung, auch mental.“ Eerland hat in der Liga erst ein Spiel verloren – und auch in den anderen Wettbewerben zuverlässig Punkte geholt.
2016 war sie bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro dabei. Ihre Erinnerungen sind nicht die besten: Niederlage mit dem Team im ersten Spiel, damit gleich das Aus. Mitte März hat sie sich bei einem Turnier in Katar sportlich für die Spiele qualifiziert, die im Sommer in Tokio stattfinden sollen. Doch noch ist sie nicht nominiert. Das Nationale Olympische Komitee der Niederlande fordert als Kriterium einen Platz unter den besten 16 in einer speziellen Olympia-Rangliste, Eerland liegt auf Platz 17.
Chancen, sich zu verbessern, hat sie nicht mehr, da es wegen der Pandemie kaum Turniere gibt. Eigentlich hatte Britt Eerland bereits vor drei Wochen mit der Entscheidung gerechnet. „Zunächst war ich mir sicher, dass sie mich hinschicken werden. Aber da es jetzt so lange dauert, bin ich mir nicht mehr so sicher.“ Die Zeit der Ungewissheit nimmt sie zumindest mit Humor: „In meinem Leben ist es eben nie langweilig.“