„The Creator“ im Kino: Mensch gegen Künstliche Intelligenz
Unvermittelt steigt ein Atompilz über Los Angeles auf. Eine Künstliche Intelligenz hat einen Sprengsatz gezündet, eine Million Menschen sterben bei dem Anschlag. Mit diesem Endzeitszenario beginnt der Science-Fiction-Film „The Creator“.
Im Kern ist es eine alte Geschichte, die Regisseur Gareth Edwards erzählt: Die Schöpfung wendet sich gegen ihren Schöpfer. Krisselige Nachrichtenbilder zeigen, wie die Roboter laufen lernten. Bis ein Androide die schnellsten menschlichen Läufer im Wettkampf überholt – und ein anderer L.A. dem Erdboden gleichmacht.
2018 hat Edwards begonnen, an dem Drehbuch zu arbeiten, damals war das Bedrohungsszenario KI noch Zukunftsmusik. Inzwischen hat sich der Blick auf die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz gewandelt. Expert:innen warnen vor ihren Gefahren, plädieren sogar für eine Forschungspause.
Innerhalb weniger Jahre ist Edwards’ Geschichte von der Wirklichkeit eingeholt worden. Die aktuellen Sorgen von Hollywood-Schauspieler:innen und -autor:innen sind da eine geradezu harmlose Variante.
Amerika führt Krieg in Asien
Die Handlung von „The Creator“ spielt im Jahr 2070: Als Reaktion auf das Attentat hat die US-Regierung den Maschinen den Krieg erklärt. Der tobt vor allem in einem Land namens New Asia, das noch immer an den Segen der Künstlichen Intelligenz glaubt und die Androiden in den Alltag integriert hat. Der Elitesoldat Joshua (John David Washington) wird hinter die feindlichen Linien geschickt, um in einer Forschungsstation eine neue Superwaffe namens Alpha Omega zu finden und zu zerstören.
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Das hört sich nicht nur nach straighter Sci-Fi-Action an, es sieht zunächst auch so aus: Der Haufen bärbeißiger Söldner mit Laserwaffen, Kampf-Gabelstapler und markigen Sprüchen scheint direkt 1980er-Krachern wie „Aliens“ entsprungen. Aber auch die Vorstellung von KI in Gestalt von Androiden mit einer spulenförmigen Platine im Kopf wirkt reichlich anachronistisch. Doch der Genre-Regisseur Edwards will mehr. Viel mehr. Man merkt das schon daran, wie man sich verheddert beim Versuch, die Handlung zu rekapitulieren.
Joshua, der einen Arm und ein Bein beim Anschlag auf Los Angeles verloren hat, hat persönliche Gründe, bei dem Einsatz mitzumachen. Er sucht seine verschollene Frau Maya (Gemma Chan), die als Wissenschaftlerin aufseiten der Künstlichen Intelligenz gearbeitet hat.
Wert des künstlichen Lebens
Als sich Alpha Omega als Maschine in Gestalt einer Fünfjährigen (Madeleine Yuna Voyles), mit gewaltigen geistigen Kräften entpuppt, will Joshua mit ihrer Hilfe Maya finden. Edwards wiederum nutzt die Konstellation nicht nur, um Joshua und „Alfie“ auf eine rasant inszenierte Odyssee durch das Feindesland zu schicken. Er stellt auch Fragen nach dem Wert des künstlich geschaffenen Lebens und lässt den moralischen Kompass dabei ordentlich kreisen.
Reflexhaft schlägt man sich auf die Seite der Amerikaner, schon wegen Allison Janney, die Joshuas toughe Vorgesetzte mit tragischer Vorgeschichte spielt. Doch die Bilder dieses Kreuzzugs gegen die Menschmaschinen erinnern bald an Vietnam-Kriegsfilme wie „Apocalypse Now“. Spätestens, wenn gigantische Panzer der U.S. Army durch ein Küstendorf pflügen (was wie ein Zitat aus einem anderen Cameron-Klassiker, „Avatar“, wirkt), schwindet das Verständnis für die Kolonialmacht.
Edwards hat nicht vor dem Green Screen, sondern an Originalschauplätzen in Asien gedreht: von Nepal über Kambodscha bis nach Indonesien, auch in Vietnam. Die Kamera von Greig Fraser und Oren Soffer schwelgt immer wieder im Anblick der Landschaften, die von George Lucas gegründete Spezialeffekt-Schmiede Industrial Light and Magic drapiert um Fischerdörfer und buddhistische Tempel futuristische Bauwerke: Brücken, Türme, monolithische Industriebauten, die im Himmel verschwinden.
Blockbuster mit Handschrift
Der Film sieht toll aus, teurer auch, als seine 80 Millionen Dollar Produktionskosten. Edwards, der 2010 mit dem Low-Budget-Film „Monsters“ bekannt wurde, hängt immer noch am realistischen Kino. In einem Jahr, in dem Blockbuster-Fortsetzungen wie „Indiana Jones“ und „Mission: Impossible“ gerade so in die schwarzen Zahlen kommen, mutet das Unterfangen „The Creator“ beinahe bescheiden an. Keine Fortsetzung, kein Reboot, sondern eine Original-Geschichte; man findet sie heute immer seltener in Hollywood.
Und dann auch noch von Gareth Edwards, der – nachdem er vor sieben Jahren als Regisseur des Star-Wars-Prequels „Rogue One“ gefeuert worden war – bereits als Persona non grata zu gelten schien. Lucasfilm soll mit dem Ergebnis so unzufrieden gewesen sein, dass Edwards mit Tony Gilroy ersetzt wurde, der etliche Szenen neu drehte. Die Karriere des 48-Jährigen liest sich wie eine Achterbahnfahrt.
Man sieht „The Creator“ an, dass Edwards sein Projekt verwirklichen durfte. Er packt alles rein: Action, grimmigen Humor, religiöse Untertöne, mit der (Ersatz-)Vater-Tochter-Geschichte allerdings auch reichlich kitschige Momente. Mitunter wirken die Androidengesichter sogar ausdrucksstärker als Washingtons verbissene Mimik. Wenn der Film dann immer wieder unvermittelt vom Sentimentalen ins Brutale kippt, mutet das sehr kalkuliert an. Aber „The Creator“ ist ein Blockbuster mit Handschrift. Und allein das gibt im gegenwärtigen Franchise-Kino schon Anlass zu Optimismus.