Neues Klassik-Festival „Fliessen“ zu Gast in Finsterwalde: Vorsicht, Hochspannung

Finsterwalde ist voller Überraschungen: So langwierig sich die Anreise von Berlin gestaltet, hat man das Städtchen im Elbe-Elster-Kreis, am südlichsten Rand Brandenburgs, erst einmal erreicht, entdeckt man einen schmucken Marktplatz, gleich dahinter das Renaissance-Schloss samt liebevoll gepflegten Park, und, gegenüber, die ehemalige „Schaefersche Tuchfabrik“.

Gegründet 1853, nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht und bis zur Wende ein wichtiger lokaler Arbeitgeber, erlebt der Backstein-Industriekomplex – nach langem Leerstand und heißen Diskussionen in der Bürgerschaft – mittlerweile eine Renaissance als „Kulturweberei“.

Funkensprühende Energieströme

Der Architekt Jürgen Habermann hat die alte Scheddach-Halle aufs Eleganteste saniert und zum Foyer veredelt. Den angefügten multifunktionalen Veranstaltungssaal nutzen Martin Helmchen und Marie-Elisabeth Hecker jetzt für einen wahren Kammermusik-Marathon, zusammen mit den Künstlerfreunden und -freundinnen, die sich der Pianist und die Cellistin für ihr neues „Fliessen“-Festival in den Spreewald eingeladen haben.

Habermann Architekten haben eine alte Tuchfabrik zur „Kulturweberei“ veredelt.
Habermann Architekten haben eine alte Tuchfabrik zur „Kulturweberei“ veredelt.
© Habermann

Die fünf großformatigen Werke, allesamt in verschiedenen Instrumentalbesetzungen, spielen die Interpreten dabei vor allem für sich – und das Publikum darf staunend teilhaben. Es ist der sechste Abend des Festivals, alle Beteiligten sind auf maximaler Betriebstemperatur, die Saiten glühen, die Luft vibriert.

Nach dem Auftakt mit einem charmanten Bläsertrio von Beethoven, versenken sich Hecker, Helmchen und der Geiger Stephen Waarts ganz tief ins 2. Brahms’sche Klaviertrio, fächern dieses Musterbeispiel romantischer Innerlichkeit in all seinen atmosphärischen Schattierungen auf.

Bei Beethovens c-Moll-Violinsonate sitzt wieder Martin Helmchen am Flügel, entwickelt nun aber mit Christian Tetzlaff einen Klang von überwältigender Klarheit. In faszinierende Zwischenwelten führt dann Schuberts vierhändige Fantasie, die sich Helmchen gemeinsam mit Michail Lifits seelenvoll-sensibel erschließt.

Zum akustischen Schauspiel für acht höchst individuelle Persönlichkeiten wird Mendelssohns Oktett: Wie sich die Weltklasseprofis gegenseitig befeuern, wie der Energiestrom funkensprühend von Instrument zu Instrument springt, das ist ebenso ein Spektakel zum Zuhören wie zum Zuschauen. Helle Begeisterung in Finsterwalde. Frederik Hanssen