Höhenflüge der Musik
„Studie zu Tristan und Isolde“ nennt Richard Wagner zwei seiner fünf Lieder auf Gedichte von Mathilde Wesendonck. Und das Orchester der Deutschen Oper Berlin gestaltet mit dem Dirigenten Juraj Valcuha ein Konzertprogramm, das inhaltlich vom Keim des Zwiegesangs aus dem „Tristan“ ausgeht, wie er im Lied „Träume“ vorgebildet ist. Von dieser Vorwegnahme des Sehnsuchtsklanges führt der Abend zu dem Bühnenwerk selbst.
Die aparte Vortragsfolge verweist indes zunächst ins 20. Jahrhundert. Anton Webern, damals Schönberg-Schüler wie Alban Berg, schreibt 1905 einen „Langsamen Satz“, ohne ihn mit Opuszahl in die Reihe seiner „gültigen“ Werke aufzunehmen. Das Stück steht unumwunden dafür ein, dass der Komponist sein Schaffen im Zeichen romantischer Tradition beginnt. Valcuha modelliert den Klang, und die Streicher des Orchesters entfalten eine leuchtende Kantabilität, wie sie auch weiterhin den Abend prägt.
Obwohl sich Richard Strauss in der Tondichtung „Tod und Verklärung“ schon im Aufbruch in sein 20. Jahrhundert befindet, steht auch dieses Verklärungsthema („sehr breit“ zu spielen) in der Wagner-Nachfolge. Die Interpretation neigt weniger der realistischen Schilderung eines Todeskampfes zu als den Erinnerungsbildern der Musik, ihrer Innerlichkeit.
Gipfel des Abends ist das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“
Der Wagner-Schwerpunkt des Programms war mit den Wesendonck-Liedern und „Isoldes Liebestod“ auf das Gastspiel der Starsängerin Anja Harteros abgestellt, die ihre Teilnehme jedoch absagen musste. Aus dem schweren Stand der Einspringerin macht Camilla Nylund das Beste.
Eine gewisse Mattigkeit ihrer Intonation weicht stimmlicher Konzentration, sorgsamer Einfühlung in den „Tristan“-Ton und lyrischen Höhen, so dass ihr Gesang jubelnd gefeiert wird. Seit über einem Vierteljahrhundert auf internationalen Bühnen heimisch und renommiert, sieht die finnische Sängerin ihren Rollendebüts als Isolde und Brünnhilde in Zürich entgegen.
Gipfel des Abends an der Bismarckstraße ist das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“, dieser Schwermutsklang um eine Liebe, die dem Tod entgegenstrebt, und zugleich einer der wichtigsten Wegweiser der musikalischen Moderne. Juraj Valcuha, geschätzter Erster Gastdirigent des Konzerthausorchesters, dirigiert das erfahrene Wagner-Orchester der Deutschen Oper mit gespannter Intensität. Die Musiker und Musikerinnen begeben sich in Harmonie mit ihm auf den kühnsten Höhenflug der Musik.