Zum Abschied von Thomas Dreßen: Stolz auf der letzten Abfahrt
In der Schweiz und in Österreich belächeln sie seit Jahren die Anstrengungen der deutschen Alpinen, in der Weltspitze irgendetwas anzurichten. In Deutschland, so der gängige Tenor, gebe es halt so gut wie keine Berge. Kein Wunder also, dass viele deutsche Nachwuchstalente zur Ausbildung in die größten Alpenländer gehen. Auch bei Thomas Dreßen war das so, bereits nach der Grundschule zog es ihn nach Tirol, was dann bei dem größten Erfolg seiner Karriere nach sich zog, dass ihn in der Heimat kaum jemand kannte.
Mit einem Donnerschlag stand er plötzlich auf, vor sechs Jahren in Kitzbühel. Er triumphierte ausgerechnet auf der steilsten und wichtigsten alpinen Abfahrt in seinem Ausbildungsland. Die Streif, diesen garstigen engen Steilhang, musst du erst mal bezwingen. Thomas Dreßen hat es 2018 geschafft, mit 24 Jahren. In nur zwei Minuten zum Star gerast: Fortan war der Mann aus Mittenwald drin in der Szene und gewann vier weitere Weltcuprennen in der Abfahrt, so oft hat kein anderer Deutscher in dieser Disziplin gesiegt.
Nur sechs Jahre nach seinem großen Auftritt trat er am Sonnabend an der Stätte seines größten Triumphes ab. Noch im vergangenen Frühjahr hatte er im Interview mit dem Tagesspiegel gesagt, er wolle wieder angreifen und fühle sich fit. Aber sein Körper macht mit erst 30 Jahren nicht mehr mit, sein letzter Weltcup-Sieg liegt auch schon vier Jahre zurück. Nur einmal ist er bei Olympischen Spielen gestartet (2018, Platz fünf) und nur drei Mal bei Weltmeisterschaften. Es war eine eine erfolgreiche Pop-up-Laufbahn. Zum Abschied wurde er in Kitzbühel von den Fans am Sonnabend gefeiert. Er kam als Letzter ins Ziel, mit 4,46 Sekunden Rückstand auf Sieger Cyprien Sarrazin aus Frankreich.
Nach dem Rennen sagte Dreßen, er habe seine letzte Fahrt genießen wollen und dass er stolz auf diese letzte Fahrt sei. Thomas Dreßen hinterlässt in jedem Fall eine Lücke im deutschen Skisport. Die Berge zum Erfolg sind sehr hoch für seine potenziellen Nachfolger, die momentan wohl eher noch im Nebel oder Norweger-Wetter, wie es in der Szene heißt, hinterherfahren.