Joe Chialos Autobiografie: Ein Blick ins Buch des neuen Kultursenators

Für das Buch eines CDU-Politikers ist das ein recht ungewöhnlicher Titel. „Der Kampf geht weiter“. Klingt wie ein spätes Echo der RAF und der Siebziger. Aber Joe Chialo stellt schnell klar, worum es geht. Um seine Familie, seine Biografie als „Afropäer“ zwischen den Kontinenten und Kulturen.

„A luta continua“. Das hat ihm sein Vater ins Stammbuch geschrieben: „Der Kampf geht weiter – der Schlachtruf der Freiheitskämpfer gegen die Herrschaft der Portugiesen in Mosambik.“ Der Vater war Diplomat aus Tansania, und so kam Joseph Chialo in die Bundesrepublik.

Kultur bildet das Fundament funktionierender Gesellschaften.

Joe Chialo

Und so wurde er eines Tages CDU-Politiker und Senator für Kultur, Zusammenhalt, Engagement- und Demokratieförderung in Berlin. Ein verblüffender Titel auch dies, man würde da eher auf eine grüne Provenienz tippen. Bei den Grünen war er auch einmal kurz Mitglied.

Versöhner und Optimist

Liest man nun Chialos Buch, das vor einigen Monaten im Murmann Verlag erschien (240 Seiten, 24 Euro), dann steht uns dieser Kampf noch bevor, „um gemeinsam und friedlich eine bessere Gesellschaft zu schaffen. Die Herausforderungen, vor denen die Welt steht, zwingen uns … zu ehrlichen und mutigen Auseinandersetzung mit neuen Wahrheiten. Zu einem Kampf, an dessen Ende Gerechtigkeit und Miteinander stehen und wir alle die Sieger sind.“

Er wirkt wie ein Versöhner, ein nicht leicht zu erschütternder Optimist. Und er ist davon überzeugt, dass eine große Mehrheit in diesem Land Rassismus ablehnt. Sie sei allerdings zu still, zu passiv.

Bekennender Katholik

Chialo wird 1970 in Bonn geboren. Seine Schulausbildung und wohl auch seine innere Ausrichtung bekommt er in einem katholischen Internat bei Köln. Chialo ist bekennender Katholik. Er macht eine Lehre als Metallarbeiter, engagiert sich in der Gewerkschaft und studiert Geisteswissenschaften in Erlangen, arbeitet als Türsteher in einer Nürnberger Diskothek.

Der Aufstieg zum Manager bei Universal hat etwas Märchenhaftes. Er lässt sich auch gern begeistern. In die CDU tritt er vor allem aus Wertschätzung für Angela Merkel ein: „Ihre Haltung gegenüber flüchtenden Menschen aus Syrien, Afghanistan und den Ländern Afrikas hatte mich tief beeindruckt. Das war christlich. Sie handelte gegen ungemein viele Widerstände, auch innerhalb der eigenen Partei. Und sie handelte so, wie eine Christin handeln muss: Hilf denen, die sich selbst nicht helfen können! Sei empathisch!“

Das sieht aus wie ein Selbstporträt. Chialo pflegt einen Predigerton, seine Offenheit hat etwas Entwaffnendes. „Make Schlager Great Again“ ist ein Kapitel überschrieben. „Mein erstes Projekt war eine Kollaboration von Nena, Oliver Pocher und Stefan Remmler mit dem schnittigen Titel ‚Ich kann nix dafür‘. Die Nummer stieg damals in die Top Ten ein, ich war zurück im Game.“

Ein Herz für Schlager

Wer hier nach anderen Kulturgütern und Institutionen sucht, nach Theatern, Opernhäusern, Museen oder Galerien, Literatur, wird kaum etwas finden. Das Buch ist nicht die Antrittsvorlesung des neuen Berliner Kultursenators, auf den eine reichhaltige und anspruchsvolle Szene wartet. Aber man lernt einen selbstbewussten Geschäftsmann kennen.

Irritierend sind aber seine Bemerkungen zur Pandemie: „Während Branchen wie Luftfahrt, Tourismus oder auch die Autoindustrie mit Milliarden gestützt wurden, schien kein Geld mehr übrig für die Kreativwirtschaft, die gleichermaßen Milliarden umsetzt und Millionen von Menschen in Deutschland Arbeit gibt.“

Das entspricht nicht den Tatsachen. Die Bundesregierung und vor allem die Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Chialos Parteifreundin, haben umfangreiche Corona-Hilfsprogramme für Künstler und künstlerische Einrichtungen aufgelegt. In diesem Punkt argumentiert Chialo wie ein Lobbyist der Musikindustrie. „Kultur schafft mehr als nur ein wohliges Gefühl. Kultur bildet das Fundament funktionierender Gesellschaften“, heißt es am Ende. Wer kann da widersprechen!