Ausgezeichnet mit einem Sternchen
Ich wusste, sollte der Preis an mich gehen, kann ich nicht sprachlos vor Ihnen stehen. Nicht in diesen zänkischen Zeiten. Und vor allem nicht nach Erhalt eines Preises – für den ich der Jury herzlich danke –, der einem Roman gilt, der die erzwungene Sprachlosigkeit einer jungen Frau umkreist und ihr Vermögen, sich der Sprache und damit ihrer selbst wieder zu bemächtigen.
Am liebsten hätte ich über Sprache reden wollen, Sprache als ästhetischer Spielplatz, als etwas, das für uns alle, die wir schreiben, so elementar ist. Für Lucia Berlin war ein Satz die Brücke über den Abgrund, für mich ist Sprache ein Ort des Berauscht-und Entrücktseins und zugleich Irritation und Wagnis.
Schlupflöcher in der Normalität
Aber sobald ich anfange, darüber nachzudenken, übertönt mich Gezerre und Gezeter, und ich lande mitten in einem furchtbaren Krieg; dem Krieg, der heute verbissen um Bezeichnungen und Benennnungen geführt wird, also darüber, wer wir sein dürfen und wer das Sagen darüber hat. Der Hass daran ist befremdlich und bedrohlich, aber ist er nicht auch schrecklich normal? Kriege wurden schon aus geringfügigeren Anlässen geführt!
Das muss ich ansprechen, wenn mich das Licht der Öffentlichkeit streift. Schließlich schreibe ich seit Jahren Figuren, die dem, was allgemein als normal gilt, als selbstverständlich, ganz selbstverständlich widerstehen. Die eher auf die Schlupflöcher in dieser Normalität verweisen (oder sollen wir Norm sagen?), weil sie keine Möglichkeit oder kein Interesse daran haben, sie für sich zu beanspruchen. Weil diese Normalität nur deshalb normal ist, weil sie da ist, und nicht etwa, weil sie gut ist.
Einige der weniger subtilen Strategien zur Sicherung dieser Bastion ist ja das Bashing einer Haltung, die sich weigert, länger mit dem üblichen „Jetzt habe dich nicht so“, „Stell dich nicht so an“ auf die Erfahrung von struktureller Demütigung, Gewalt oder bloß Ignoranz zu reagieren. Also das Bashing von … jetzt hätte ich fast politische Korrektheit gesagt! Ein schmutziger Begriff! So schmutzig, wie es bis vor Kurzem auch das Wort Feministin noch war.
Für Virginia Woolf war es damals ein korruptes Wort, ein Wort, das nur noch dazu dienen würde, diejenigen auszuschließen und zu demütigen, die es einmal bezeichnet hätte. Solche Worte, schreibt Woolf, werden von „Klingel-an- der-Tür-und-renn-weg-Männern“ zum Verunglimpfen benutzt. Eine Beobachtung, die auch Ihnen vielleicht irritierend bekannt vorkommt. Das Internet ist voller „Klingel-an-der-Tür-und-renn-weg-Männer“. Gefährlich wird es bei denen, die das Ende ihrer jahrhundertealten Meinungshoheit zum Ende der Meinungsfreiheit erklären.
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Aber ist es denn nicht selbstverständlich, dass man mit dem Namen angesprochen werden möchte, unter dem man sich auch angesprochen fühlt? War das für die, die heute am lautesten schreien, nicht immer selbstverständlich?
Vielleicht ist es ja zu einfach, um für wahr gehalten zu werden. Wir werden misstrauisch. Kann es denn wirklich so einfach sein?
„Vielleicht muss das Selbstverständliche erst wieder unverständlich werden, um selbstverständlich zu bleiben.“ Das ist ein Satz von Ilse Aichinger, der mich auch daran erinnert, dass Sprache beweglicher ist und wandelbarer als wir in unseren Gewohnheiten. (Obwohl wir sie ja angeblich erfunden haben).
An dieser Wandelbarkeit habe ich Freude, an Wörtern, die bisher Unsichtbares bergen, an einer Sprache, in der Spielen ausdrücklich erwünscht ist, die ins Stolpern kommen darf und Ungesichertes aushält. Und bei aller Freude am sprachlichen Wagnis, am beweglichen Wort, ist eines sonnenklar: Rávik und ich sind Schriftstellerin, (nicht: Schriftsteller), und als solche manchmal ausgezeichnet mit einem Sternchen!