Wissenschaftskommunikation: Eier legen und Milch geben
Soweit es um den Vorwurf des offenen Betrugs geht, ist der Fall Maja Göpel geklärt. Der Journalist Marcus Jauer, der „Unsere Welt neu denken“, den ersten Bestseller der Transformationswissenschaftlerin, überhaupt erst mit einer prägnanten Handschrift versah, hat sich aus dem Schatten des Ghostwriters, in dem er auf eigenen Wunsch bleiben wollte, für „Wir können auch anders“ ins Dämmerlicht der Koautorschaft begeben.
Als Talkshowheldin und gefragte Rednerin – die Website verrät: „Zeitkontingente für Vorträge sind bis Juli 2023 aufgebraucht“ – hat sie sich nichts Justiziables zuschulden kommen lassen. Man hätte nur so gern gehabt, dass ihre strahlenden Auftritte an weniger glanzvolle Stunden beim Ringen um treffende Formulierungen und Erkenntnisse gekoppelt sind.
Als paradigmatische Figur einer medial agitierten Republik lässt sie sich nichtsdestoweniger mit Gewinn betrachten. Julika Griems Aufsatz im Dezemberheft des „Merkur“ heißt nicht zufällig „Zum Beispiel Maja Göpel“ – auch wenn es mit den Vergleichsgrößen bis auf den gleichfalls an der Lüneburger Leuphana Universität mit einer Honorarprofessur dekorierten Richard David Precht dann hapert.
Die Anglistin, seit 2018 Direktorin des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen, versucht in Bezug auf die Affäre Gerechtigkeit walten zu lassen, macht aber kein Hehl daraus, dass sie Göpel als „kommunikatives Gesamtkunstwerk“ verachtet.
Griems Überlegungen zu den Umständen zeitgenössischer Wissenschaftskommunikation, die sie sich ebenso wie Göpel auf die Fahnen geschrieben hat, benennen mit erfreulicher Schärfe, welche Pole zwischen Elfenbeinturm und politischer Arena, Erkenntnis und Umsetzung es zu vermitteln gilt. Maja Göpel spricht in selbstbewusster Vorwärtsverteidigung davon, dass sie keine „eierlegende Wollmilchsau“ sein könne.
Was Göpel indes an eigener Brillanz im Schriftlichen fehlt, fehlt Griem beim Reden an Präsenz und Temperament. Man vergleiche die YouTube-Auftritte der beiden zur Wissenschaftskommunikation, und man sieht, dass sich in Griems Kritik auch eine habituelle Fremdheit artikuliert. Was Göpel als Rebellion gegen das universitäre Establishment versteht, ist für Griem ein Verrat an wissenschaftlicher Substanz.
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