Jahreshauptversammlung bei Bayern München: Folklore statt Wertediskussion

Der größte Aufreger war die Farbe des Champions-League-Trikots. Dass die Profi-Mannschaft des FC Bayern zuletzt in der Champions League in schwarz-lila statt rot-weiß antrat, sorgte für Unmut bei den Fans. Und damit ist klar, dass bei der Jahreshauptversammlung des deutschen Rekordmeisters am Sonntag wieder die Folklore dominiert hat – und nicht die Auseinandersetzung mit Werten und Prinzipien des Vereins wie zuletzt.

Es muss also vieles gut gelaufen sein im abgelaufenen Jahr. Sportlich und im Dialog mit der Basis. Oder das, was nicht so gut lief, ist womöglich nicht mehr so präsent. Zum Beispiel der Trainerwechsel im vergangenen Frühjahr und die anschließende chaotische Schlussphase der Saison. Dies wird überlagert von den Ergebnissen und Auftritten der Profi-Fußballmannschaft in dieser Hinrunde, die – abgesehen vom DFB-Pokal – ganz ordentlich sind.

Und das, was zu Kontroversen hätte führen können, haben die Verantwortlichen des FC Bayern entweder gut moderiert, wie den Umgang mit Noussair Mazraoui nach dessen pro-palästinensischen Posts. Da habe sich „unser Vorstand so verantwortungsbewusst wie nur möglich mit dieser Thematik befasst“, sagte Präsident Herbert Hainer.

Oder es wurde schon vor der Jahreshauptversammlung gelöst. Bei der Neufassung der Klub-Satzung waren die Mitglieder eingebunden worden. Weshalb ein Antrag von Michael Ott, der sich vor zwei Jahren als großer Kritiker des mittlerweile beendeten Katar-Sponsorings der Münchner einen Namen gemacht hatte, von einer deutlichen Mehrheit der 1780 Mitgliedern abgelehnt wurde. Ihm war die Stärkung der Mitglieder-Rechte beim Einbringen von Anträgen nicht weit genug gegangen.

Unser Vorstand hat sich so verantwortungsbewusst wie nur möglich mit dieser Thematik befasst.

Herbert Hainer, Bayern-Präsident, zum Umgang mit Noussair Mazraoui

Vor zwei Jahren noch hatte es einen Kontrollverlust der Verantwortlichen gegeben bei der Jahreshauptversammlung, als nicht nur die Mehrheit der anwesenden Mitglieder die von Michael Ott vorgebrachte Kritik unterstützte. Auch vor zwölf Monaten spielte die Forderung eine Rolle, die Partnerschaft mit einem Land, in dem die Menschenrechte nicht geachtet werden, zu beenden. Ehrenpräsident Uli Hoeneß hatte sich damals zu der Aussage hinreißen lassen, dass es sich hier nicht um eine Generalversammlung von Amnesty International handle.

Dieses Mal hat Ott die Partnerschaft mit Ruanda angeprangert. Man solle künftig von einer Zusammenarbeit „mit solchen Schulden-Regimen“ Abstand nehmen, sagte er. Ansonsten herrschte weitgehend Harmonie. Der neue Finanz-Vorstand Michael Diederich hat Rekord-Zahlen präsentiert: Der Umsatz, der mit 854,2 Millionen Euro um fast 30 Prozent höher als im vergangenen Geschäftsjahr und so hoch wie noch nie ist.

854,2

Millionen Euro setzte der FC Bayern im vergangenen Geschäftsjahr um.

Jan-Christian Dreesen hat bei seiner ersten Rede als Vorstandsvorsitzender erst einmal die sportlichen Erfolge in den Mittelpunkt gerückt. Während Trainer Thomas Tuchel in der ersten Reihe bis zum Schluss ausharrte, gaben die Profis Matthijs de Ligt, Jamal Musiala und Raphael Guerreiro, der einen Tag zuvor beim 4:2-Sieg in Fußball-Bundesliga gegen den 1. FC Heidenheim sein erstes Pflichtspieltor für die Münchner erzielt hatte, nur eine Stippvisite in der von den Basketballern des FC Bayern genutzten Halle.

Nach einer knappen Stunde verabschiedeten sie sich die Spieler überraschend schon wieder – dringende berufliche Termine können allerdings nicht der Grund dafür gewesen sein, denn keinen der drei Spieler ist bei den Länderspielen in den nächsten Tagen im Einsatz. Applaus bekamen sie trotzdem, aber nicht so lauten und anhaltenden wie Sven Ulreich, der Vertreter von Manuel Neuer. Der Torhüter stellte damit sogar Harry Kane in den Schatten.

Der Stürmer legte mit seinen beiden Toren gegen Heidenheim am Samstag nicht nur die Basis für den Sieg, sondern erzielte mit nun 17 Treffern in der Bundesliga schon einen mehr als die beiden Torschützenkönige der vergangenen Saison, Niklas Füllkrug und Christopher Nkunku. „Ein Sportstar und Gentleman, der dem FC Bayern guttut“, sagte Dreesen, betonte aber, „dass 100-Millionen-Transfers nicht die neue Tagesordnung sind“.

Das dürfte jenem Mitglied gefallen haben, das beim Tagungsordnungspunkt Aussprache ans Rednerpult trat. Es forderte weniger Spieler aus der ganzen Welt zu verpflichten, dafür mehr aus München und Umgebung. Thomas Müller statt Harry Kane, also.