Die Berliner kommen in der Tabelle nicht voran: Bei Hertha BSC wächst die Nervosität
Die Ehrenrunde nach dem Spiel hörte sich an wie immer. Als sich die Spieler von Hertha BSC in die Kurve mit den Fans begaben, schlugen ihnen laute „Ha ho he, Hertha BSC“-Rufe entgegen. Aber diese Rufe ertönten nicht dort, wo man sie eigentlich verortet hätte. Sie kamen von den Fans des Karlsruher SC.
Dass Herthas Spieler von den Anhängern des Gegners gefeiert wurden, hatte nichts mit Dankbarkeit für die Schusseligkeit kurz vor Schluss zu tun, die dem KSC noch einen eher ungeplanten Punkt eingebracht hatte. Es lag an der Freundschaft beider Fanlager, die am Samstagabend im Olympiastadion ausgiebig zelebriert wurde. „Für den Fan und neutralen Zuschauer war das heute ein großartiger Abend“, sagte Herthas Offensivspieler Fabian Reese über die Stimmung auf den Rängen.
Für ihn und seine Kollegen war es das nicht: ein großartiger Abend. Der Berliner Fußball-Zweitligist musste sich gegen den KSC mit einem 2:2 begnügen. Und da den Karlsruhern zudem erst zehn Minuten vor Schluss der Ausgleich gelungen war, kam Reese das Unentschieden wie eine Niederlage vor.
„Einen sehr gefrusteten Abend“ habe er erlebt, sagte er. „Natürlich ist das ein Tiefschlag, wenn man große Chancen nicht nutzt und am Ende das 2:2 bekommt.“
Auch Herthas Trainer Pal Dardai nahm „ein negatives Gefühl“ mit aus dem Spiel, das eben nicht für sich allein stand, sondern auch im Kontext der vergangenen Wochen gesehen werden musste. Schon am Spieltag zuvor hatten sich die Berliner beim 0:0 auswärts gegen Hansa Rostock mit einem Unentschieden begnügen müssen. Ebenfalls gegen einen auf dem Papier unterlegenen Gegner. „Das ist natürlich ärgerlich“, sagte Torhüter Tjark Ernst. „Von den Chancen her kannst und solltest du beide Spiele gewinnen.“
Fünf Punkte hat Hertha, der immer noch gefühlte Erstligist, aus den jüngsten vier Spielen gegen Nürnberg, Paderborn, Rostock und Karlsruhe geholt. Gegen Mannschaften also, die alle eher typische Zweitligisten sind.
Es muss von jedem Einzelnen die Initiative kommen, Spiele zu gewinnen.
Fabian Reese, Hertha BSC
Für einen Verein mit Ambitionen ist das zu wenig. Vor allem weil Hertha in der Tabelle so nicht vorankommt. „Ein Punkt bringt uns nicht weiter“, sagte Dardai. „Da fehlt was. Das müssen wir irgendwo wiedergutmachen.“
Zwölfter war Hertha vor dem 13. Spieltag in der Zweiten Liga; Zwölfter ist Hertha auch nach dem 13. Spieltag. „Es ist echt nervig, echt bitter“, sagte Florian Niederlechner, der die Berliner kurz vor der Pause mit seinem ersten Saisontreffer 2:1 in Führung gebracht hatte. Nach der Pause versäumte es Hertha, den Vorsprung auszubauen. Die Chancen dazu waren vorhanden.
So blieb von diesem Abend mit einer bemerkenswerten Stimmung auf den Rängen vor allem ein schales Gefühl. „Es tut weh, weil wir nicht von der Stelle kommen“, sagte Torhüter Ernst, der seine Mannschaft gleich zweimal vor einem früheren Ausgleich bewahrt hatte. „Wir haben ein bisschen ums Gegentor gebettelt.“
Das Unentschieden war auch deshalb zu wenig, weil Hertha immer noch die Hypothek des verpatzten Saisonstarts mit sich schleppt. Aus den ersten drei Spielen holten die Berliner keinen einzigen Punkt. Seitdem darf sich die Mannschaft nicht mehr viel erlauben, wenn sie tatsächlich noch einmal in den Kampf um den Aufstieg eingreifen will.
Entsprechend nervös und gereizt fallen inzwischen die Reaktionen auf Spiele wie gegen den KSC aus. „Grundsätzlich müssen mehr Spieler an ihr Niveau kommen, mehr Spieler für Gefahr sorgen, nicht zu ausrechenbar sein“, sagte Fabian Reese, der nach einer knappen halben Stunde das 1:1 erzielt hatte. „Es muss von jedem Einzelnen die Initiative kommen, Spiele zu gewinnen. Dass man, auch wenn’s mal nicht läuft, sagt: Pass auf, ich kämpf, ich acker, ich versuche das Spiel rumzureißen.“
Hertha fehlt Kreativität im Mittelfeld
Mehr Mentalität, mehr Gras fressen: Das erwartet auch Trainer Dardai von seiner Mannschaft, die derzeit nicht in der Lage ist, Gegner wie Paderborn, Rostock oder Karlsruhe dauerhaft spielerisch zu dominieren. Dazu mangelt es an Kreativität im Mittelfeld – und damit an Kontrolle über das Geschehen.
Das war gegen den KSC zu Beginn des Spiels deutlich zu beobachten, als die Gäste Hertha kaum zur Entfaltung kommen ließen; das war auch in der zweiten Hälfte zu beobachten, als vor allem die Karlsruher den Ball hatten.
„Die Führungsspieler müssen lernen, auch in so einem Spiel Verantwortung zu übernehmen. Wenn du 2:1 führst, musst du Ballbesitz haben“, sagte Dardai. „Das fehlt bei uns.“ In drei der jüngsten vier Ligaspiele war Hertha weniger am Ball als der Gegner – was angesichts der Qualität auf dem Papier durchaus bemerkenswert ist. Was aber auch der Personalsituation der Berliner geschuldet ist.
„Ich erwarte auch mehr, aber wir haben nicht die spielerischen Mittel dafür“, sagte Dardai. Es brauche Spieler, „die mit dem Rücken zum Tor die Halbräume besetzen, die sich drehen und das Spiel machen können“, erklärte er. Aber all die Spieler, die dazu fähig wären – Ibrahim Maza, Jeremy Dudziak, Palko und Bence Dardai –, seien aktuell verletzt. „Wir haben ein Problem, das müssen wir lösen“, sagte der Ungar.
Hertha muss sich den Erfolg aktuell mehr erarbeiten als erspielen, zumal der Mannschaft auch das Schicksal zuletzt nicht mehr allzu hold war. Vor einer Woche landete der Ball je einmal am Pfosten und an der Latte des Rostocker Tores. Gegen den KSC scheiterte Fabian Reese, Herthas gefährlichster Offensivspieler, beim Stand von 2:1 am Innenpfosten.
Das Spielglück habe man in Nürnberg verwirkt, sagte Dardai – als man sich mit der Pausenführung zufrieden zurückgelehnt habe und am Ende noch 1:3 verloren habe. „Seitdem ist das Spielglück weg. Jetzt müssen sie hart arbeiten. So ist Fußball“, sagte er. „Jemand beobachtet uns.“ Der Fußballgott vergisst nicht.