Immer schön zornig : Die Stones stellen die Single „Angry“ vor
Der ganze Spaß dauerte knapp 40 Minuten, und rund 25 Minuten davon saßen Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood mit Moderator Jimmy Fallon auf der Bühne in London – glänzend aufgelegt, unentwegt witzelnd, erkennbar topfit, wenngleich Wood, links etwas grell ausgeleuchtet, optisch ein wenig draculesk wirkte.
Die raffiniert eingefädelte Kampagne zum ersten Album der Stones seit 16 Jahren, die erst kürzlich mit ein paar Andeutungen in Inseraten der Londoner „Hackney Gazette“ begonnen hatte, erreichte mit diesem Auftritt am Mittwoch einen ersten Höhepunkt. Die Hoffnungen auf einen fetten Happen Musik wurden freilich enttäuscht, denn Jagger stellte sogleich klar, dass das Thema dieser Mini-Talkshow die Single „Angry“ sein werde, denn das ganze Album „Hackney Diamonds“ erscheint erst am 20. Oktober.
Dieser Titel wurde dann auch exakt um 16 Uhr deutscher Zeit im Video vorgestellt – die Urheber hatten das Studio zu diesem Zeitpunkt längst wieder verlassen und ersparten sich so die Ratlosigkeit der Fans, als dann fünf Minuten lang erst einmal ein Clip mit Zahlengrafiken und elektronisch verfremdeter Lounge-Musik lief. Nur ein Späßchen! Seid nicht angry!
Auch Ignoranten könnten den Titel blind zuordnen
Neues im engeren Sinn kam danach nicht. Auch komplette Stones-Ignoranten würden „Angry“ blind zuordnen können, denn die Zutaten stecken seit der Steinzeit im Kessel: Ein schwerer Drum-Groove, Richards´ Gitarrenriffs, dazu Jagger, der sich dem Titel entsprechend zornig exaltiert gibt. Wood darf ein winziges Solo intonieren, der mehrstimmige Satzgesang überrascht ein wenig. Aber sonst? So sind sie eben, und nach 60 Jahren alles umzuschmeißen, wäre ja auch blöd.
Auch das Video, das einen fiktiven Auftritt der Band auf Billboards in Los Angeles zeigt, ist nicht gerade vom Zeitgeist geküsst: Drunten räkelt sich die Schauspielerin Sydney Sweeney auf der Heckklappe eines fahrenden feuerroten Benz-Cabrios – na egal, schaut noch irgendwer Musikvideos?
Was bedeutet der Titel? Mick Jagger erklärt es: „Dalston Diamonds“ ist ein Slangbegriff für die Glassplitter, die von einer eingeschlagenen Autoscheibe auf der Straße auf der Straße landen, „wenn du dein Auto Samstag nacht in Hackney parkst“; Dalston ist ein Teil des Londoner Stadtteils Hackney. „Wir haben eine ganze Weile über den Titel nachgedacht“ scherzt Richards, „es hätte auch sowas sein können wie Hit and Run oder Smash and Grab, aber dann kam eben das dabei heraus.“ Und „angry“, wütend, darum gehe es ja auch im ganzen Album, spaßt Jagger.
Einige vage Vorab-Infos wurden im Gespräch bestätigt. Ja, es gab zwei Drum-Spuren von Charlie Watts aus dem Jahr 2019 und eine Aufnahme von Bill Wyman – so enthält das Album letztmalig einen einzigen Titel, auf dem die fünf Ur-Stones zusammenspielen, dazu einen mit Watts. Auf allen anderen Titeln ist Steve Jordan am Schlagzeug zu hören, den sich Watts als Nachfolger selbst ausgesucht hatte.
Die eigentliche Arbeit am Album, so viel wurde ernsthaft verraten, wurde zu Jahresbeginn verrichtet. Jagger: „Wir wollten Weihnachten anfangen und zum Valentinstag fertig sein.“ Das betraf die eigentlichen Aufnahmen, die dann noch allerhand technisch bedingte Runden drehen mussten. Die Spannung bleibt bis Oktober erhalten – wenngleich dies nur das 24. Studioalbum der Stones ist. Würde irgendwer wetten, dass es das letzte ist?