Horrorkomödie für die GenZ: Auch Schneeflocken können bluten
In der ersten halben Stunde hagelt es Trigger-Sätze fast im Minutentakt in Halina Reijns Generation-Z–Splatterkomödie „Bodies Bodies Bodies“. Die Befindlichkeiten der Millennials sind hoch sensibilisiert; es wird viel über Gefühle gesprochen (vor allem die eigenen), es gibt immer Zuspruch – etwa für den neuen Podcast von Alice (Rachel Sennott, aus dem großartigen „Shiva Baby“) oder den überstandenen Drogenentzug von Sophie (Amandla Stenberg, „The Hate U Give“). Die Achtsamkeit der Worte, natürlich Social-Media-geschult, ist eine hübsche Fassade, die allerdings schnell bröckelt, als das Misstrauen zunimmt.
Sehr woke und sehr reich
Dabei sieht anfangs alles nach einem Party-Wochenende unter Freund:innen aus. David (Pete Davidson) hat den Landsitz seiner Eltern zur Verfügung gestellt, ein pompöses Anwesen im Wald, schön abgelegen, mit Samurai-Schwertern an den Wänden – aber gut, so lange das W-Lan funktioniert… Ihre Wokeness ist das eine, was die Freund:innen verbindet, das andere ein stinkreiches Elternhaus. Da bleibt viel Zeit für die Nabelschau von Twentysomethings, wenn alles im Überfluss vorhanden ist.
Die erste Dreiviertelstunde von „Bodies Bodies Bodies“ erinnert noch an ein Konzentrat der Teenie-Komödie „Mean Girls“, bloß dass der Fieseste von allen hier David ist. Er behandelt seine Freundin Emma (Chase Sui Wonders) mies und verarscht Greg (Lee Pace), den doppelt so alten Boyfriend von Alice, der eher zufällig auf der Party gelandet ist. Ein anderer Kumpel, Max, hat David bereits im Streit ein Veilchen verpasst, als Sophie und ihre Sechs-Wochen-Freundin Bee (Maria Bakalowa, die seit ihrer Rolle als Borat-Tochter zu den komischsten GenZs überhaupt gehört) auf der Party auftauchen; sehr zum Missfallen der Zickigsten unter ihnen, Jordan (Myha’la Herrold).
Die niederländische Schauspielerin und Regisseurin Halina Reijn nutzt ihr Hollywood-Debüt vor allem als Showcase für einige der interessantesten Darstellerinnen und Darsteller ihrer Generation: eine optimistische Version der Serie „Euphoria“ (die Club-Banger auf dem Soundtrack, die Drogen, die Neonleuchtarmbänder im Dunkeln, die genderfluide Sensibilität), die beim titelgebenden Rollenspiel allerdings plötzlich Agatha-Christie-mäßig eine blutige Wendung nimmt. Während draußen ein Sturm tobt, der auch noch das Internet lahmlegt.
(In 14 Berliner Kinos, auch OV/OmU)
Wes Craven hat in seiner Meta-Horrorreihe „Scream“ die Methodik des Slasherfilms persifliert. Die Slasher-Komödie „Bodies Bodies Bodies“ macht sich dagegen über die Rede- und Verhaltensweisen der Millennials lustig, die selbst beim Anblick eines blutigen Messers noch panisch auf ihren Mobiltelefonen herumtippen. „Warum reden wir dauernd über Chats, wenn wir einfach im Moment leben können?“, fragt Sophie einmal David.
Überhaupt ist „Bodies Bodies Bodies“ Stenbergs Show, die gerade zu den vehementesten Stimmen gehört, wenn es um einen Kulturwandel in Hollywood geht. Der Film beginnt mit einer sehr, sehr ausführlichen Kussszene zwischen Stenberg und Bakalowa, Reijn hat zweifellos die richtige Anführerin für ihr Ensemble gefunden.
Auch weil sie eher ein (ironisches) Generationenporträt als einen cleveren Genrefilm im Sinn hat. Der „Bodies Bodies Bodies“ bis zu einem gewissen Grad auch ist; vor allem aber ein, erst recht im Finale, sehr komischer. Man versteht eigentlich erst mit der Schlusspointe wirklich, warum er als Horrorfilm seine Längen hat, nie sein Timing findet. Die Pointe ist so genial wie bescheuert, eine typische Pete-Davidson-Nummer.
Im „Saturday Night Life“-Sketchformat hätte Reijns Komödie das Zeug zum Klassiker. Als blutiger Partyfilm ist er immerhin sehr instagrammable. Andreas Busche
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