Lineares Fernsehen verliert Publikum: Ein, nein, kein Naturgesetz

Der RTL-Jahresrückblick „Menschen, Bilder, Emotionen“ hat mit einem Zuschauerrückgang zu kämpfen. 1,88 Millionen verfolgten am 7. Dezember die erste Ausgabe des Formats mit Steffen Hallaschka als Moderator. Im Vorjahr waren es bei der Moderation von Thomas Gottschalk und Karl-Theodor zu Guttenberg noch 2,23 Millionen gewesen. 2021, als Günther Jauch nach 25 Jahren die Sendung abgab, waren es sogar 3,13 Millionen Zuschauer gewesen.

Nachdem der ZDF-Jahresrückblick von Markus Lanz schon im vergangenen Jahr einen deutlichen Einbruch erlebt hatte, ging es am 13. Dezember ein weiteres Mal spürbar bergab. 2,57 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer schalteten ab 20 Uhr 15 ein.

Der ZDF-Polittalk „Maybrit Illner“ hat 2023 im Schnitt ein paar Hunderttausend Zuschauer weniger erreicht als im Vorjahr. „Im Schnitt sahen 2,26 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die 41 regulären „Maybrit Illner“-Ausgaben in diesem Jahr“, teilte das ZDF am Freitag mit. 2022 hatte die durchschnittliche Reichweite noch bei etwa 2,6 Millionen Menschen gelegen.

Kein Naturgesetz

Kann man sagen, ist halt so. Das lineare Fernsehen verliert Zuschauer, also verlieren die Jahresrückblicke und Talks an Zuschauern. Klingt wie ein Naturgesetz. Fix und fertig und feststehend.

Es könnte aber auch so sein, dass dieses Fernsehen nach Programmschema mehr Programmschema als Fernsehen ist. Der Jahresrückblick ist dann gesetzt und wird entsprechend exekutiert. Mehr Litanei zum nicht gerade erheiternden Jahr 2023, aber in seiner Formelhaftigkeit ein fades Allerlei.

Maybrit Illner im Gespräch mit dem früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Maybrit Illner im Gespräch mit dem früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck.

© dpa/Jule Roehr

Wie sehr sich dieses Fernsehen in seine Rituale und Routinen geflüchtet – manche sagen: gerettet hat – zeigt die ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“. Sie talkt mit Unterbrechungen eit 1999 im Zweiten. Das ist beinahe ein Vierteljahrhundert Stelldichein.

Anne Will hat nach 16 Jahren im Ersten mit ihrer gleichnamigen Talkshow aufgehört. Es kommt – na ja – Caren Miosga. Will wollte nicht mehr, ehe das Publikum nicht mehr wollte. Eine kluge Entscheidung der ARD-Journalistin.

Ist es vermessen, die Zuschauerverluste des linearen Fernsehens auf eben dieses immergleiche Programmangebot zurückzuführen? Welche Überraschungen haben Hallaschka, Lanz und Illner zu bieten? Klar, da es gibt es diese Sicherheit in der Zuschauererwartung und doch lappt diese Sicherheit ins Halsstarrige rüber.

Was wollen Hallaschka, Lanz und Illner noch bieten? Hier gibt es Fernsehen, das noch vor seiner Zeit alt geworden ist. Weit entfernt von jener Diversität, wie sie die Gesellschaft auszeichnet. Jung wegen Jugend, spannend wegen Spannung, nein, es regieren Sendungs-, Themen- und Meinungsblasen. Nicht nur diese, auch weitere Regelsendungen des Linear-TV sind in sich verbiestert.

Und jetzt? Hallaschka, Lanz und Illner werden auch 2023 weiter auf Sendung gehen. Und das lineare Fernsehen wird weiter an Zuschauerinnen und Zuschauern verlieren. Ist halt ein Naturgesetz. Nein, ist ein Gesetz, das sich das lineare Fernsehen selbst gegeben hat und mit dem es sich Jahr für Jahr mehr bescheidet.