Debatte ums Humboldt-Forum: Zieht die Berlin-Ausstellung wieder aus?
Im Berliner Humboldt Forum kehrt keine Ruhe ein. Unruhe kann produktiv sein, zumal in einem Haus, das sich besonders auf den weitläufigen Museumsetagen für die außereuropäischen Sammlungen aktuellen Themen wie Postkolonialismus, Restitution und dem Verhältnis des Globalen Südens zur westlichen Welt stellen soll.
Aber nach den jüngsten Äußerungen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Generalintendant Hartmut Dorgerloh, Preußenstiftungs-Präsident Hermann Parzinger und Kultursenator Klaus Lederer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur gewinnt man den Eindruck, dass das kaum endgültig eröffnete Schloss bereits wieder in seinen Grundfesten wankt. Das ist keine produktive Unruhe.
Die 40.000 Quadratmeter haben vier Nutzer: Das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst (die zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören) bespielen die zweite und dritte Etage, Berlin richtet in der ersten Etage die Dauerausstellung „Berlin Global“ aus, die Humboldt Universität ist mit einer Ideenwerkstatt dabei, die Stiftung Humboldt Forum konzipiert Wechselausstellungen und Veranstaltungen und koordiniert das Ganze.
Jetzt spricht Parzinger von „Zuständigkeitsgerangel“, Dorgerloh sieht Nachjustierungsbedarf bei der Zusammenarbeit mit den Museen. Und Claudia Roth denkt nicht zum ersten Mal laut darüber nach, die Preußen-Stiftung und das Humboldt Forum enger aneinander zu koppeln. Es gebe einen Prüfauftrag für eine Änderung der Governance.
Wer bitte prüft, und was? Soll das Humboldt Forum nun doch unters Dach der noch größer und mächtiger werdenden SPK, die ihrerseits ja gerade grundlegend reformiert wird? Soll also genau das geschehen, was Roths Vorgängerin Monika Grütters energisch zu verhindern wusste, indem sie die Stiftung Humboldt Forum ins Leben rief und Neil MacGregor für die Gründungsintendanz aus London holte? Oder geht es umgekehrt darum, die beiden Museen aus der Preußen-Stiftung zu entlassen? Parzinger zumindest betont, es gehe nicht um eine Eingemeindung.
Mehr noch: Nachdem zuerst der Deutsche Kulturrat vorgeschlagen hatte, dass Berlin aus dem Schloss ausziehen und das Museum Europäischer Kulturen Sammlungen aus Dahlem einziehen könnte, stellt Berlins Kultursenator nun ähnliche Überlegungen an. Die beim Publikum besonders beliebte „Berlin Global“-Schau werde noch weiter laufen, sagte Lederer der dpa. Aber einen Auszug des Stadtmuseums schließt er als „denkbare Option“ nicht aus. Also alles zurück auf Anfang im ersten Stockwerk – was erneut Umbauten und Umzüge bedeuten würde?
Nun ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Kulturschaffende und Kulturpolitikerinnen Selbstkritik üben und womögliche frühere Fehlentscheidungen korrigieren. Gleichzeitig darf dies nicht leichtfertig geschehen, nach dem Motto „Gestern war Hü, heute ist Hott“. Es kann nicht sein, dass mit jedem Regierungswechsel neue Humboldt-Forum-Konzepte auf den Tisch kommen und mehr als nur nachjustiert wird. Die Kosten für jede Neustrukturierung tragen die Steuerzahler.
Hinzu kommen die Debatten über den christlich-kolonialistischen Bibelspruch unter dem Kuppelkreuz und über die Spendenpraxis. Zwar betont Dorgerloh einmal mehr, die historische Kuppelinschrift habe „keine programmatische Bedeutung“, es sei ein bauhistorisches Zitat, während Roth sich wiederholt für einen kritischen Umgang damit ausspricht. Aber das tut sie schon lange, schon unter Grütters wurde darüber diskutiert. Die Idee, das Spruchband nachts mit alternativen Zitaten zu überblenden, kursiert seit über einem Jahr. Nun soll die Realisierbarkeit geprüft werden – erst jetzt?
Auch beim Spenden-Thema dreht Claudia Roth Endlosschleifen. Nach der Entfernung der Ehrentafel für einen umstrittenen namentlichen Spender wurden die Richtlinien überarbeitet, auch anonyme Spenden werden nun nicht mehr angenommen. Die Tätigkeit des privaten Fördervereins, der mehr als 100 Millionen Euro für die Rekonstruktion der Fassade und der Kuppel gesammelt hatte (und damit die öffentliche Hand entlastete), sei „erfolgreich abgeschlossen“, sagt Dorgerloh. Dennoch wird die Kulturstaatsministerin nicht müde, „klarere Verhältnisse“ einzufordern. Sie spricht von einem ersten Schritt, der jetzt getan worden sei, will erneute Gespräche mit dem Verein führen.
Welche nächsten Schritte Richtung „maximal mögliche Transparenz“ nötig sind, verrät sie nicht. Es müssten ja entweder retrospektive Schritte sein, denn das Schloss steht, samt Kuppel und Barockfassade. Oder grundlegendere Maßnahmen, unabhängig vom Humboldt Forum, etwa ein generelles Spendentransparenzgesetz bei staatlichen Großprojekten.
Das Humboldt Forum ist einmal mit dem Versprechen angetreten, ein Forum für die publikumsnahe Austragung kultureller und gesellschaftlicher Debatten zu sein. Bislang befasst das Haus sich vor allem mit sich selbst.
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