Ohrfeige mit Folgen
Mit einer Klatsche fing alles an. Die Journalistin und Aktivistin Beate Klarsfeld schummelte sich 1968 auf den CDU-Parteitag und verpasste dem amtierenden Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger eine Ohrfeige wegen dessen Nazivergangenheit und bezeichnete ihn als solchen.
Die Aktion ist eine der Kernszenen der kürzlich auf Deutsch veröffentlichten Graphic Novel „Beate und Serge Klarsfeld – Die Nazijäger“ von Pascal Bresson und Sylvain Dorange (Carlsen, 208 S., 28 €) – am vergangenen Wochenende wurde sie auf dem Comicfestival München mit dem Peng!-Preis als bester europäischer Comic ausgezeichnet.
Nach Klarsfelds Aktion war ihr Name in aller Munde, Kiesinger wurde nicht wiedergewählt. Zusammen mit ihrem Mann Serge, einem französisch-jüdischen Anwalt und Historiker, der den Holocaust nur knapp überlebt hatte, wird Beate Klarsfeld die kommenden Jahre damit verbringen, frühere hochrangige Nazi-Täter, die unbescholten in der BRD oder im Ausland leben, zu entlarven und vor Gericht zu bringen, darunter Kurt Lischka und Klaus Barbie.
„Die Nazijäger“ basiert auf dem Buch „Erinnerungen“ der Klarsfelds und liest sich wie eine spannende Abenteuergeschichte. Manchmal gerät sie etwas zu reißerisch – eine etwas nüchternere Erzählweise hätte die Adaption sicher noch überzeugender und als Schullektüre geeigneter gemacht. Ein Anhang, der die Fakten sachlich darstellt, fehlt ebenfalls. Der beispiellose und oft gefährliche Kampf des engagierten Ehepaars um Gerechtigkeit hat jedoch zu Recht Geschichte geschrieben.
Eine ausführlichere Rezension folgt in Kürze auf den Tagesspiegel-Comicseiten.
Eine weitere Auszeichnungen auf dem Comicfestival München, das pandemiebedingt in diesem Jahr auf die Präsentation mehrerer Ausstellungen und einer digitalen Zeremonie beschränkt war, ging an Uli Oesterle: Dessen 2020 veröffentlichte Comicerzählung „Vatermilch“ wurde als bester deutschsprachiger Comic ausgezeichnet. Als bester nordamerikanischer Comic wurde „They Called Us Enemy“ von George Takei, Justin Eisinger, Steven Scott und Harmony Becker gekürt.
Den Peng!-Preis für die beste Sekundärliteratur bekam Alexander Braun für seine Monographie „Will Eisner – Graphic Novel Godfather“. Und der Preis für das Lebenswerk ging an den in Berlin lebenden und aus München stammenden Comiczeichner Gerhard Seyfried.
Einige der diesjährigen Ausstellungen zum Comicfestival München sind auch noch über das eigentliche Festivalwochenende hinaus weiter zu sehen, mehr dazu hier.