Alle Jahre wieder (Folge 6): Gut gefaltet in der Krippe
Maria ist rot und blau. Zumindest bei den Krippenfiguren, die bei meinen Eltern Jahrzehntelang unterm Weihnachtsbaum aufgebaut waren. Als Kind hatten diese Figuren eine magische Anziehungskraft auf mich. Sie waren irgendwie nicht ganz von dieser Welt, schon weil sie nur an Weihnachten auftauchten.
Feierlich nahm ich sie in die Hand, um sie aufzustellen, wenn sie auf dem welligen Boden des „Kripperls“, wie man in Bayern sagt, wieder einmal umgefallen waren. Der Faltenwurf von Marias Kleid hat sich mir eingeprägt, meine Finger haben ihn oft genug abgetastet. Die modellierte Bewegung in Marias schlichtem und doch so eindrücklichen Gewand finde ich bis heute faszinierend, egal in welcher Darstellung. Jede Maria trägt so ein Kleid mit Wellen.
Bei Jesus gibt’s große Varianz
Wenn wir zwischen Weihnachten und Neujahr in Urlaub sind, was manchmal vorkommt, schaue ich mir gerne Krippen an, natürlich meistens in Kirchen. In manchen Ländern sind auch welche am Straßenrand oder auf Verkehrsinseln aufgebaut. In Berlin sehe ich eher selten welche, vermutlich weil ich hier keine Kirchen besichtige.
Grundsätzlich lässt sich konstatieren: Während Josef und Maria in den Weihnachtskrippen oft recht vergleichbar dargestellt sind, gibt es bei Jesus eine größere Varianz. Manchmal ist er schon ein langer, stattlicher Kerl, der gar nicht so aussieht, als wäre er eben erst auf die Welt gekommen. Oft hat er goldene Locken. Meisten streckt er die Arme nach vorne aus, als wolle er der Mutter vermitteln, dass sie näher kommen und nicht in einem halben Meter Abstand vor seiner Schlafstatt knien soll. Wichtig sind natürlich auch die Tiere.
Wenn ich aber nicht verreist und in der Stadt bin, so wie jetzt, nutze ich diese Jahresendphase manchmal, um mir in Museen auch mal die ständigen Sammlungen anzusehen, für die ich sonst kaum Zeit habe.
In der Berliner Gemäldegalerie gibt es eine sehr schöne „Heilige Familie“, gemalt von Francesco Francia im 15. Jahrhundert. Josef, Maria und das heilige Kind sind prominent vor einer hügeligen Bibellandschaft platziert, Maria zentral im Bild und Jesus, der schon stehen kann stützt sich wie ein Engelchen an ihrer Brust ab. Josef hingegen wirft am linken Bildrand einen kecken Schulterblick, bisschen so, als wäre er auf dem Sprung. „Adios, ich geh‘, Maria hat das hier bestens im Griff“, scheint dieser Blick zu sagen.
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