Manga „Sayonara Tokyo, Hallo Berlin“: Nugiko Kutsushita zeichnet die deutsche Hauptstadt
Was gibt uns in der Fremde ein Gefühl von Heimat? Für die junge Japanerin Aki sind es Ramen-Nudelsuppe und Buttersand, ein mit Buttercreme und Rumrosinen gefüllter Doppelkeks, der traditionell auf der Insel Hokkaido hergestellt wird. Selbstgebacken mit deutschen Erdbeeren vom Brandenburger Obsthof schmeckt das Gebäck fast wie zu Hause, stellen Aki und ihre ebenfalls aus Japan stammende Mitbewohnerin Rika fest, als sie es in ihrer Berliner WG-Küche zusammen verzehren.
Die Mangazeichnerin Nugiko Kutsushita ist vor einigen Jahren selbst von Tokio nach Berlin ausgewandert. Dennoch sei „Sayonara Tokyo, Hallo Berlin“ kein autobiografisches Werk, sondern bloß von ihren realen Berlinerfahrungen inspiriert, betonte sie in einem Interview.
Die Handlung des zweibändigen Manga, der in Japan zwischen April 2019 und Mai 2021 erschien, ist schnell skizziert: Mit einem Working Holiday Visum zieht die selbstständige Filmemacherin spontan nach Berlin, nachdem ihre kleine Wohnung in Tokio einem Brand zum Opfer gefallen ist. Für die schüchterne 28-Jährige, die bislang noch nie aus ihrer Heimatstadt herausgekommen ist, beginnt eine Reise, die sie Schritt für Schritt aus der eigenen Komfortzone hinausführt.
In Berlin muss sich Aki innerhalb kürzester Zeit auf eine Reihe schrulliger Charaktere einstellen, vor denen sie sich anfangs am liebsten verstecken würde. Daneben lernt sie die Stadt bei allerlei lokaltypischen Aktivitäten kennen: Gewürze kaufen auf dem türkischen Markt in Kreuzberg, Döner- und Currywurstbuden durchprobieren, auf dem Tempelhofer Feld Drachenfest feiern und auf dem Bürgeramt vom notorisch schlecht gelaunten Personal angeraunzt werden – von all diesen Erlebnissen erzählt Nugiko Kutsushita in sommerlich leichten Anekdoten, gewürzt mit viel japanischer Selbstironie und originalgetreuen Berliner Schauplätzen.
Detailreich ersteht der Flughafen Tegel in Kutsushitas Schwarzweißzeichnungen wieder auf, davor wartet ein BVG-Bus der Linie TXL, dessen Display „S+U Alexanderplatz via Hauptbahnhof“ anzeigt. Currywurst gibt es bei Curry36 und Erdbeeren kauft Aki gern am logobehängten Stand von Karl’s Erlebnishof.
Das hat den amüsanten Effekt, dass man als Ortskundiger sogleich ein wohlig-geborgenes Heimatgefühl mit den gezeichneten Szenen assoziiert. Der Hang zum Minutiösen, der Kutsushitas Zeichenstil innewohnt, erstreckt sich praktischerweise auch auf die Szenen, in denen Aki und Rika in der WG-Küche Lieblingsgerichte aus ihrer Heimat mit Berliner Zutaten zubereiten – so kann der Manga stellenweise als deutsch-japanisches Kochbuch herhalten.
Auch wenn manche Weisheit der Autorin über angeblich typisch deutsche Eigenheiten dann doch ein wenig klischeebeladen daherkommt, zeigt ihr Werk auf kurzweilige Weise, wie befremdlich und schön zugleich diese Stadt sein kann, wenn man sie zum ersten Mal sieht.