Hochpolitisch, tief verstörend : Die Finalisten des Losito-Kunstpreises stellen in „di Galerie“ aus
Deutsche Räume“ können zentnerschwer lasten. Nicht allein wegen ihres Interieurs, das sich auf den kleinen, gemalten Formaten von Tim Trantenroth immer in die Vergangenheit sehnt: lieber barock als zeitgenössisch, auf jeden Fall aber gewichtig. Andere Bilder halten zwar auch den luftigen Modernismus des Bonner Kanzlerbungalows von Sep Ruf fest, doch für den aktuellen Losito Kunstpreis hat der in Berlin lebende Maler drei Ansichten vom Obersalzberg eingereicht.
Szenen aus Hitlers Büro
Es sind Szenen aus Hitlers Arbeitsräumen, die originale Vorlage stammt vom NS-Fotografen Heinrich Hoffmann, dessen Postkartenmotive zu gesuchten Sammlerstücken in neurechten Kreisen avancieren. All das macht aus den scheinbar unverfänglichen, stets menschenleeren Raumansichten eine „Malerei von hohem historischen und aktuellem Reflexionsgrad“. So begründet Juror Carsten Probst die Auszeichnung für Trantenroth mit dem dritten Preis.
Das Echo auf die erneute Ausschreibung des privat gestifteten Preises war groß. Aus knapp 300 Bewerbungen innerhalb der Region Berlin-Brandenburg wurden 44 Künstlerinnen und Künstler gefiltert und schließlich 21 Arbeiten nominiert. Unter ihnen hat die mehrköpfige Jury noch einmal gewählt: Trantenroth bekam den dritten Preis, Nora Mesaros für „Towers“ den zweiten. Erste wurde Anna Gille mit einer zarten, abstrakten Kohlezeichnung.
Katalog plus Ausstellung
Das Preisgeld von 15.000 Euro muss für drei Gewinner reichen und wird anteilig vergeben. Für viele der Bewerber und Bewerberinnen ist es eine enorme Summe, doch die hohe Resonanz erklärt sich nicht allein daher. Die Teilnahme sorgt auch für Sichtbarkeit, zumindest für die Nominierten: Es gibt einen Katalog, und ihre Werke sind eine Woche lang in „di Galerie“ ausgestellt. Hier gewinnt man nun selbst einen Eindruck vom eindrucksvollen Umgang zeitgenössischer Kunst mit unterschiedlichen Themen.
Disneyland ohne Kitsch
Kazuki Nakahara lässt in seiner großen Zeichnung die Bewegung von Wind sichtbar werden. Daneben zergliedert der 1981 geborene Künstler Kitra das Sichtbare geometrisch. Merete Katz, die in der Thikwa Werkstatt für Theater und Kunst arbeitet, erschafft sich zeichnend ein Universum, das von Disney inspiriert ist, die bonboneske Filmwelt Hollywoods zugleich aber weit hinter sich lässt. Cécile Dupaquier entwickelt im Dialog mit Architektur räumliche Szenen, die sie mit Bleistift auf Papier bis in undurchdringliche Schwärze verdichtet.
Bei Nora Mesaros beeindrucken präzise von der Künstlerin gezeichnete Stapel von Möbeln. Dazwischen knien weibliche Figuren, eine trägt die Last der Einrichtungsgegenstände wie ein Atlant, die andere meistert sie mit dem Rücken. „Eine Nonsens-Stuation“, notiert die Jury, jedoch mit „tragischer Dimension durch ihren Ausdruck stillen Leidens“.
Ein Fenster zur Fantasie
Frauen als Funktionsträgerinnen, so fuktioniert das System. Masros ist kritisch, direkt und narrativ. Was für ein Kontrast zu Anna Gille, die alle gleichermaßen begeistern konnte. Die gebürtige Dresdnerin, Jahrgang 1986, verlässt sich ganz auf die Kraft der Fantasie. „Window“ heißt ihre große Papierarbeit. Gille, die selbst eine Plattform für Zeichnung gegründet hat, stößt ein imaginäres Fenster auf. Ihre tastenden, tanzenden Striche laden zum Assoziieren ein, ein Motiv ist in Sicht. Doch das muss sich jeder selbst erarbeiten.