Science-Fiction-Comicautor Chris Noeth: „Musik hilft bei der Entwicklung guter Bildergeschichten“
Wer hat Sie künstlerisch geprägt? Welche Werke von Kolleginnen und Kollegen gefallen Ihnen besonders? Was empfehlen Sie Comic-Einsteigern? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihre Arbeit und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: der unterfränkische Comic-Szenarist Chris Noeth, von dem im Splitter-Verlag die Science-Fiction-Reihen „Maya“ und „Dark Zero“ erscheinen.
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Immer die Worte, unabhängig davon, ob ich als Autor mit einem anderen Zeichner zusammenarbeite oder meine Geschichten selbst zeichnerisch umsetze. Im Comic dreht sich alles um das Erzählen von Geschichten. Wie bei einem Roman oder Film nimmt die Geschichte zuerst in Textform Gestalt an, bevor man sich an erste zeichnerische Entwürfe und Konzeptideen setzt. Natürlich entstehen manche Geschichten auch aus einer visuellen Idee oder etwas, das man gesehen hat. Es ist also nicht immer klar zu trennen. In der Regel entsteht ein Comic aber zuerst in beschreibender Textform, die nicht unbedingt Dialoge enthalten muss – diese können auch nach den Zeichnungen finalisiert werden.
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Sowohl beim Schreiben als auch beim Zeichnen höre ich fast immer Musik, oft stimmungsvolle Soundtracks von passenden Genre-Filmen. Bei der Entwicklung von „Maya“ und „Dark Zero“ höre ich oft die Soundtracks der ersten „Hellraiser“-Filme oder von „Conan – Der Barbar“. Auch Heavy Metal von Metallica oder Manowar steht auf meiner Playlist. Diese Musik hilft mir, die nötigen Bilder in meinem Kopf heraufzubeschwören. So wie ein Film von guter Musik lebt, hilft Musik auch bei der Entwicklung guter Bildergeschichten.
3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Essen bei der Arbeit tue ich kaum, nur in bewussten Pausen. Dann meistens ein paar gekochte Eier, ein Stück Käse oder eine halbe Avocado. Beim Zeichnen trinke ich hauptsächlich Kaffee mit Hafermilch. Abends, wenn ich Geschichten schreibe, ist es oft ein Glas Rotwein.
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4. Angenommen Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Ich habe schon einige wichtige Comics verloren, darunter meine „Die Spinne“-Hefte aus dem Williams-Verlag und meine „Superman“- und „Batman“-Taschenbuchsammlung, die ich als Kind von meiner Oma bekommen habe. Heute würde ich die „Lanfeust“- und „UCC Dolores“-Alben, das Album „Rast(h)aus“ von Sperzel sowie die Paperbacks von Mark Millar retten – natürlich erst, nachdem ich meine eigenen Alben eingepackt habe.
5. Welche Zeichner/innen und Autor/innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Zu viele, um alle aufzuzählen. Herausragend sind Jack Kirby, John Buscema, John Romita Senior und Neal Adams. Bei den Autoren sind es Stan Lee und Cary Bates. Ihre Arbeiten haben meine Begeisterung für das Medium geweckt. Richtungsweisend für meine eigene Entscheidung, Comics zu machen, waren in den 80er Jahren John Byrne, Jim Lee, Frank Miller, Marc Silvestri, Todd McFarlane, Arthur Adams, Alan Davis, Eric Larsen, Dale Keown sowie Autoren wie Frank Miller, Mike Baron und Chris Claremont. Später kamen viele frankobelgische Zeichner und Autoren dazu.
6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Aktuell empfehle ich die Comic-Adaption von „Der Herr der Fliegen“ von Aimée de Jongh, die kürzlich beim Splitter-Verlag erschienen ist. Für Science-Fiction-Fans den Dreiteiler „Der Ewige Krieg“ von Marvano und Haldeman. Beide Werke zeigen eindrucksvoll, dass Comics viel mehr sind als Kinderbücher oder Filme.
7. Glauben Sie, dass der Comic aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
Nein. Comics werden in Deutschland oft nicht als ernstzunehmende Kunstform anerkannt. Während sie in Ländern wie Frankreich kulturell anerkannt sind, werden sie hierzulande oft mit Schundliteratur in Verbindung gebracht. Ein Beispiel: Als ich mit 17 auf einem Klassenausflug Comics von Arthur Adams dabeihatte, bezeichnete mein Lehrer diese als „schreckliches Kritzelkratzel“. Er konnte nicht erkennen, welche Arbeit hinter einer Bildgeschichte steckt, noch den Tiefgang, den man beim Lesen erreichen kann. Solche Vorurteile tragen dazu bei, dass Comics nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.

© Splitter
8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/ innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie sie im Moment haben?
Anlor Tran, die mit ihren „Ladies with Guns“-Alben einen meisterhaften Strich zeigt, und Pepe Larraz, der viel für Marvel zeichnet. Beide verdienen mehr Aufmerksamkeit: Tran im europäischen Markt und Larraz, dessen technische Meisterwerke oft durch schlechte Farbgebung seitens des Verlags herabgesetzt werden.
Ich muss aber auch meine eigenen Alben „Maya“ und „Dark Zero“ nennen. Es sind zwei komplett neue Comicserien, die genau deshalb ebenfalls mehr Aufmerksamkeit gebrauchen können. Sie basieren nicht auf bekannten Lizenzen, sondern erzählen völlig neue Geschichten mit bisher unbekannten Charakteren, die noch ihr Publikum finden müssen. Es ist wichtig, dass die Comicleser davon erfahren. Es sind deutsche Eigenproduktionen, und Leser können sie und geplante Fortsetzungen durch ihren Kauf aktiv unterstützen.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Stan Lee, obwohl mir noch viele andere Namen einfallen.
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Sie sind faszinierend, emotional, gewalttätig und humorvoll – besonders, wenn man schwarzen Humor mag.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Ich bin CEO der Firma McPeppergames, wo ich als Indie-Spielentwickler an meinem neuen Spiel „ChillBiom“ arbeite, einem entspannenden City-Builder, bei dem man eine Naturlandschaft mit Schafen aufbaut. Wer mag, kann mein letztes Spiel „Colony Defense“ im App Store, Google Play Store oder bei Steam und für die Nintendo Switch downloaden. Im Bereich Comics arbeite ich an den Fortsetzungen von „Maya“ und „Dark Zero“ und entwickle eine neue Serie, die ich als Autor und Zeichner umsetzen werde. Ebenso entwickle ich ein eigenes Comickonzept für eine Manga-Serie.

© Splitter
12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comic-Auto/in zu werden – und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Ich würde niemandem raten, Comicautor zu werden, wenn er nicht den Drang dazu verspürt. Wenn ich diesen Drang erkenne, würde ich ermutigen, es zu versuchen und hartnäckig zu bleiben, aber auch einen Plan B zu entwickeln. Abraten würde ich, da man vom Comic-Schreiben und -Zeichnen in Deutschland meist nicht leben kann.
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Es fühlt sich „unreal“ an. Nach vielen Jahren als Comicleser erscheint es einem unwirklich, das eigene Album im Regal neben den Meisterwerken der Vorbilder stehen zu sehen.