Zum Tod von Astrud Gilberto: Die gehauchte Leichtigkeit des Bossa Nova

Das Portugiesische geht dem britischen Star George Michael flüssig über die Lippen, als er die erste Strophe von „Desafinado“ singt. Bald darauf kommt Astrud Gilberto hinzu, und die beiden Stimmen ergänzen sich ganz wunderbar in dieser leicht modernisierten Version des Songs, den Antônio Carlos Jobim 1958 zusammen mit Newton Ferreira De Mendonça geschrieben hatte.

Der Titel bedeutet „Verstimmt“, und der Text erklärt auf leicht ironische Weise, was es mit diesem neuen brasilianischen Genre namens Bossa Nova auf sich hatte. Weil Astrud Gilberto Anfang der sechziger Jahre entscheidend zu dessen weltweiter Popularisierung beigetragen hatte, war ihr Duett mit George Michael im Jahr 1996 eine stimmige Sache – und eine der letzten Gelegenheiten, bei denen sich die Sängerin musikalisch zu Wort meldete.

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Um die Aufnahme, die sie zum Star und den Bossa Nova zu einem globalen Pop-Phänomen machte, ranken sich zahlreiche Anekdoten. Gesichert ist, dass Astrud Gilberto im März 1963 ihren Ehemann João Gilberto nach New York begleitete, wo dieser mit dem Jazzsaxofonisten Stan Getz ein Album für das Label Verve aufnahm.

Die beiden Männer hatten außer der Musik keine gemeinsame Sprache, weshalb Astrud, die Englisch beherrschte, bei der Kommunikation half. Produzent Creed Taylor hatte sie in einer Pause im Kontrollraum singen gehört und schlug vor, beim Song „The Girl from Ipanema“ auch englische Lyrics zu integrieren und diese von Astrud singen zu lassen. Ihr charmant-lässiger Vortrag trug entscheidend dazu bei, dass der Song zu einem Hit und das Album „Getz/Gilberto“ zu einem vierfach Grammy-gekürten Klassiker wurde.

Astrud Gilberto kam 1940 in Salvador de Bahia  als jüngste Tochter einer brasilianischen Lehrerin und eines Deutschen namens Weinert zur Welt, der privaten Englischunterricht gab. Die Familie zog Ende der Vierziger nach Rio de Janeiro um, wo Astrud 1960 den Musiker João Gilberto heiratete.

Die Ehe wurde schon vier Jahre später wieder geschieden, nachdem die Sängerin auf ihrer ersten Tour eine Affäre gehabt hatte. Die brasilianische Presse schrieb daraufhin verächtlich über Astrud Gilberto, die seither ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Heimatland hatte. Aufgetreten ist sie dort nur ein einziges Mal. 1963 war sie ohnehin schon in die USA gezogen.

Auf der leicht weichgezeichneten Coverfotografie ihres Solodebüts, das Anfang 1965 herauskam und nur eine knappe halbe Stunde lang ist, schaute sie ernsthaft und ein wenig scheu in die Kamera. Auch ihr Gesang war stets von einer melancholischen Sanftheit geprägt, die einen reizvollen Kontrast zum Bossa-Rhythmus bildete, wie etwa das auf Englisch gesungene und mit Streichern aufgepolsterte „Meditation“ zeigte oder das mit Antônio Carlos Jobim vorgetragene „Água de beber“. Es folgte mehr als ein Dutzend Alben, meist eine Mischung aus Jazz-Standards, Popsongs und brasilianischen Titeln. Dabei kam es auch zu Kollaborationen mit Stars wie Chet Baker oder Quincy Jones.

Nach der Jahrtausendwende zog die Sängerin sich aus dem Musikgeschäft zurück, widmete sich der Malerei und dem Tierschutz. Jetzt ist Astrud Gilberto im Alter von 83 Jahren gestorben.