All-Star-Rockband aus Berlin: Die Benjamins und ihre feine Debüt-EP
Wenn ein Millennial freiwillig bei einer fremden Boomerin anruft, hat das an sich fast schon Nachrichtenwert. Doch bei Max Gruber, besser bekannt unter seinem Musiker-Namen Drangsal, handelt es sich um einen Zeitgenossen, dem Neugier und Leidenschaft für Musik generationsspezifische Hemmungen locker aussticht.
Also griff er zum Telefon und meldete sich bei Annette Benjamin, die von 1979 bis 1984 Sängerin der legendären Punkband Hans-A-Plast aus Hannover gewesen war. Er fragte sie, ob sie mit ihm Musik machen wollte. Benjamin kannte ihn nicht, besuchte aber mit einer ihrer Töchter ein Drangsal-Konzert in München, das ihr gut gefiel. Sie fuhr nach Berln, traf sich mit Gruber und die Dinge kamen in Schwung, so sehr sogar, dass Gruber gleich noch eine ganze Band für Benjamin zusammenstellte. Eine kleine Indie-Supergroup zu der neben dem Kernduo auch Charlotte Brandi, Julian Knoth (Die Nerven) und Thomas Götz (Beatsteaks) gehören.
Wie die bei der ersten Session im Januar 2020 entstanden Single „Aus Liebe“ zeigt, stimmte die Chemie in dem intergenerationellen Projekt: der hochenergetisch runtergebretterte Zweimintüter beschwört augenblicklich die Energie von Annette Benjamins früherer Band herauf. Dass sie jahrelang nur klassische Musik gemacht hat, mag man kaum glauben, wenn sie mit ihrer charakteristischen Messerklingen-Stimme über eine obsessive Liebe singt. Im Refrain stimmen die anderen mit ein: „Du gehörst mir/ Sei dankbar dafür/ Du bist auserwählt/ Nur die Liebe zählt“.
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Das Lied eröffnet das gerade erschienene selbstbetitelte Minialbum (Tomatenplatten/Cargo Recods) der Benjamins, das von Max Rieger produziert wurde. Benjamin fordert inzwischen keine Ledertypen mehr zum Ausziehen auf oder wird zum Polizeiknüppel, wie auf dem grandiosen Debütalbum von Hans-A-Plast aus dem Jahr 1979, doch wenn sie im punkigen „Drehen und Wenden“ befiehlt „Du bleibst bei mir!“ ist Widerspruch zwecklos. „Gleißendes Glück“ nimmt erstmals das Tempo etwa zurück und schwingt sich im Refrain in unverhofft lieblich-poppige Höhen.
Der Höhepunkt der nur fünf Stücke umfassenden EP ist jedoch „Kommen und Gehen“, das von einem nervösen Tackerbeat und zackigen Postpunk-Gitarren angetrieben wird. Erinnerungen an die Fehlfarben kommen auf, wenn Annette Benjamin in bester Peter-Hein-Mauligkeit sprechsingt: „Es nervt, dass wir uns nicht wiedersehen“. Und ausgerechnet wenn sie behauptet, festzustecken, finden die Gitarren in die erlösende Schrammel-Gerade. Gern bald mehr davon!