Warum wir mit allen Krisen fertig werden können
Unser Kolumnist Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. An dieser Stelle schreibt er jede Woche über Politik und Sprache, zurzeit in einer kleinen Serie über die Kunst des Gelingens. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer.
Die Nummer eins ist anders als die anderen. Sie hat eine besondere Begabung und perfektioniert diese Begabung. Sie spielt im besten Team oder umgibt sich mit dem besten Team. Sie will nicht bloß gewinnen, sie muss gewinnen, weil sie Niederlagen nicht erträgt. Oder die Nummer eins, das gibt es auch, ist derart gelassen, ruht dermaßen in sich selbst, dass nichts sie erschüttert, gelegentliche Niederlagen schon gar nicht.
Runde 15 Jahre lang habe ich über Sportlerinnen und Sportler geschrieben (und danach bei besonderen Wettkämpfen immer mal wieder). Was verband Andre Agassi, Boris Becker, Steffi Graf, Pete Sampras; was einte Michael Jordan, Kobe Bryant und Dirk Nowitzki; wieso waren Jürgen Klinsmann, Oliver Kahn und Matthias Sammer besser als der Rest?
Zäh sein, widerstandsfähig
Sie glaubten an ihren Auftrag, an sich, sie liebten, was sie taten. Sie waren zäh, widerstandfähig. Sie passten sich Umständen und Zufällen an. Sie arbeiteten an mentaler Kraft, also der Konzentrationsfähigkeit, und vor dem Wettkampf visualisierten sie, was passieren könne, stellten sich Situationen und Handlungen vor, weshalb sie weniger leicht zu schockieren waren.
Die besten Athletinnen und Athleten sind innovativ, lernen von anderen, denn sie wollen sich verbessern: Nicht der vergangene Sieg ist wichtig, sondern der nächste. Sie sind nicht ängstlich, nicht passiv, verharren nicht.
Oft handeln sie intuitiv, aber sie wollen Statistiken und Daten kennen, wollen Fehler verstehen, da sie wissen, dass es ihnen nicht hilft, die Wirklichkeit zu schönen. Emotional sind sie auch. Als er seinen Weltrekord verlor, sagte der ehemalige Zehnkämpfer Daley Thompson, „habe ich es wie ein Mann genommen und nur zehn Stunden lang geheult“.
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Die Welt des Sports ist schlichter als das Leben, zwei Halbzeiten zwischen zwei Toren. Die Klarheit im Denken jedoch, die Entschlossenheit von Sportlerinnen und Sportlern könnte bisweilen auch anderswo helfen.
Ronald Heifetz, Gründer des Center for Public Leadership in Harvard, sagt, dass wir Menschen mit all den Krisen unserer Zeit fertig werden können müssten, da wir genetisch bevorteilt seien: Wir haben soziale Fähigkeiten und sind intelligent, „wir können erfinden, reflektieren und komplexe Systeme erschaffen, die die Lehren aus der Vergangenheit aufnehmen“.
Wir haben gelernt, uns anzuziehen, wenn es kalt ist, wir haben sogar gelernt, unser Lernen zu beschleunigen.
Überleben durch Anpassen
Unsere Gesellschaften würden über Ziele und die Wege zum Ziel verhandeln, auch über Werte und Prioritäten.
Dass wir Wohlstand wichtiger finden als den Schutz von Natur und Umwelt, ist so offensichtlich, dass es ein banaler Satz ist, aber laut Heifetz müsste es nicht so sein. Wesentlich für Überleben und Erfolg von Gruppen sei ihre Fähigkeit, sich anzupassen.
Der Professor erzählt von jenen Polynesiern, die einst auf die Osterinseln auswanderten, dort die eigene Blühte erlebten, da sie weiterhin fischen und Bäume pflanzen konnten (was sie gelernt hatten), aber dann wurden sie zu viele. Sie holzten die wenigen Bäume ab, die sie noch hatten, und hungernd bauten sie größere Statuen für die Götter, und dann starben sie.
Wenn Gesellschaften scheitern, so schreibt es Heifetz, verstehen sie meist die Bedrohung nicht. Wenn sie die Gefahr doch verstehen, ist meist die Herausforderung größer als die Anpassungsfähigkeit. Und manchmal scheinen die Schmerzen des Handelns für die Gruppe zu groß zu sein. Statt sich zu wandeln, suchen Gesellschaften dann Sündenböcke oder Zweifel, warten, lenken sich ab und tun irgendetwas, nur nicht das Nötige. (Diese Kolumne macht nun Sommerferien und ist im September zurück.)