Wird das Buch trotz schlechter Kritiken ein Bestseller?
Derzeit geht es reichlich gruselig zu auf den deutschen Bestsellerlisten, literarische Güte fehlt fast durchgängig, kein Fest für Literaturconnaisseure also. Womit wir bei dem Buch wären, das die Feuilletons gerade zehn Tage lang elektrisiert hat: Uwe Tellkamps „Turm“–Fortschreibung „Der Schlaf in den Uhren“. Knapp eine Million Mal soll „Der Turm“ nach der Veröffentlichung 2008 verkauft worden sein, ein genuiner Bestseller, aber kein Krimi, kein Schnelldreher, keine leichte Kost, sondern ein literarischer Bestseller.
Im Zusammenspiel mit Uwe Tellkamps häufig dubios-eigentümlichen politischen Äußerungen hat dieser „Turm“- Erfolg sicher dazu beigetragen, dass „Der Schlaf in den Uhren“ zum Buch der Woche wurde. Mitunter bekam man den Eindruck, etwa bei den zwei riesigen Seiten plus Seite-Eins-Optik in der „Süddeutschen Zeitung“, Tellkamp sei Deutschlands Staatsschriftsteller, im Gefolge von Günter Grass und Thomas Mann.
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Nun denn. Allerdings ist „Der Schlaf in den Uhren“, wie weiland „Ein weites Feld“ von Günter Grass, bislang durchgängig verrissen worden. Was zu der Frage führt: Schaden diese Verrisse Tellkamps Roman? Oder bewirken sie das Gegenteil? Wollen sich jetzt erst recht viele Leser und Leserinnen, zumal jene, die auch den „Turm“ gekauft oder gar vollständig gelesen haben, ihr eigenes Bild machen?
Uwe Tellkamp dürfte sich natürlich bestätigt sehen mit seinem Gerede vom „Gesinnungskorridor“, in dem es keinen Platz für ihn gibt, von den „Hauptstrommedien“, die alle gleich ticken. Die „Bild“-Zeitung feierte ihn vergangene Woche schon als „Gewinner“, weil die auch in seinem Roman thematisierte „Einheitsmeinung in vielen Zeitungen“ sich nun in den einhelligen Verrissen spiegele: „Beweisführung gelungen“, schloss das Springer-Blatt.
So ahnt man, dass es bestimmt eine Gegenreaktion gibt, „Der Schlaf in den Uhren“ hie und da noch verteidigt wird, zumal sowieso leider so einige das Weltbild des Autors teilen. Es könnte also sein, dass Tellkamps Roman nächste Woche, spätestens übernächste in den Bestsellerlisten steht. Was auch sein Gutes hat: Besser, literarischer als Kobr/Klüpfel oder Carsten Henn ist Tellkamp schon.