Millionen-Strafen bei fehlerhaften MeToo-Berichten: Bedingt zielführend

Kurt Sagatz sieht keine Notwendigkeit für eine Verschärfung des Medienrechts.

Ferdinand von Schirach kennt sich mit der Grenzziehung zwischen Schuld und Unschuld aus. Der Jurist und Schriftsteller weiß zudem, wie man selbst komplizierte Rechtsthemen massentauglich erklärt. Im TV-Experiment „Terror – Ihr Urteil“ ernannte er Millionen Fernsehzuschauer zu Schöffen in einem fiktiven Prozess, bei dem eine extrem komplexe Gewissensentscheidung bewertet werden musste. Die Zuschauer kamen damals zu einem erstaunlich klaren Urteil.

Ganz und gar real sind die Folgen falscher oder unbewiesener Anschuldigungen, gerade auch bei MeToo-Fällen. „Diejenigen, über die berichtet wird, sind verloren, selbst wenn keine Anklage erhoben wird“, konstatiert der frühere Strafverteidiger in einem Interview mit dem „Stern“. Schirach schlägt vor, dass Gerichte bei erheblicher Rufschädigung Millionenentschädigungen gegen die verantwortlichen Medien verhängen können. Dadurch würden nicht zuletzt die dann immer noch veröffentlichten MeToo-Berichte zugleich glaubwürdiger.

Das klingt ebenso folgerichtig wie naheliegend. Was allerdings vor allem daran liegt, dass unwahre Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, Verleumdungen und Rufschädigungen bereits jetzt sowohl straf- als auch zivilrechtlich belangt werden können. Mit zum Teil erheblichen Folgen, die nicht einmal in der Welt der Boulevard-Medien zu den Portokosten gerechnet werden können. Jogi Löw wurde eine Entschädigung von 220.000 Euro zugesprochen, es ging um die Trennung von seiner Frau und Paparazzi-Fotos. Jörg Kachelmann wurde für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten mit 395.000 Euro entschädigt. Und die ohne Einwilligung veröffentlichten Kohl-Memoiren waren dem Gericht sogar eine Million Euro wert.

Problematisch wird es allerdings immer dann, wenn die Faktenlage nicht eindeutig ist – was gerade bei MeToo-Fällen zwangsläufig häufig der Fall ist. Würde man Schirach folgen, was würde es für mutmaßliche Opfer bedeuten, wenn sie Missbrauchsfälle nicht mehr Medien-öffentlich machen können? Wie soll dann eine Debatte wie zum Beispiel in der Filmwirtschaft über Machtmissbrauch entstehen? Problematisch wird es immer dann, wenn ein Bericht einer Vorverurteilung gleichkommt. Das allerdings ist nicht allein ein Problem der Medien.