Alba Berlin verpasst die Titelverteidigung
Luke Sikma saß nahe der Auswechselbank auf einem Fahrrad-Ergometer und Alba Berlins Anführer trat minutenlang mit schmerzendem Oberschenkel in die Pedale. Wenige Meter entfernt lag sein Kollege Johannes Thiemann auf dem Boden und wurde von einem Physio im Bauchbereich bearbeitet. Bayerns Zan Mark Sisko war schon vorher mit blutenden Wunden behandelt worden. Es war ein echter Kampf, den sich die beiden Mannschaften im Finale um den deutschen Basketball-Pokal lieferten – und wer die Charakteristika der beiden Euroleague-Teams kennt, weiß, dass das kein gutes Zeichen für die Berliner ist.
Alba zelebriert am liebsten einen schnellen, kreativen Basketball. Die Münchner mögen es, wenn es langsam und auch mal dreckig wird. Und so setzten sie sich am Samstag in eigener Halle letztlich verdient 85:79 (17:29, 24:10, 24:19, 20:21) durch. Für die Bayern ist es der dritte Pokalsieg nach 1968 und 2018. „Das ist ein supergeiles Gefühl, uns hier mit dem ersten Titel zu belohnen“, sagte Topscorer Paul Zipser (18 Punkte).
Albas Traum von der Titelverteidigung zerplatzte durch eine ideenlose Leistung und viele Fehler ab dem zweiten Viertel. „Das ist extrem frustrierend für uns, wir haben es nicht hinbekommen, dem Spiel unseren Stempel aufzudrücken, und nicht mit unserem Speed gespielt“, sagte Kapitän Niels Giffey bei Magentasport.
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Im Sport werden Superlative inflationär benutzt und Duelle vorschnell zu Klassikern erklärt. Mit diesem Begriff sollte man sich bei Alba gegen Bayern zurückhalten, schließlich ist das erste Aufeinandertreffen erst knapp zehn Jahre her. Dass in seitdem 56 Spielen, darunter einige Finals und viele hitzige Schlachten, eine große Rivalität entstanden ist, ist jedoch unstrittig. Mehr geht im deutschen Basketball momentan nicht, und das zeigten beide Mannschaften auch an diesem Pokalwochenende.
Während sich die Münchner im Halbfinale gegen Ulm erst nach zweifacher Verlängerung durchgesetzt hatten, musste sich Alba beim souveränen Erfolg gegen Göttingen nicht verausgaben. Da Alba zudem deutlich tiefer besetzt ist, konnten sich die Berliner durchaus einen kleinen Vorteil ausrechnen.
So sah es dann auch im ersten Viertel aus. Alba machte von Beginn an Tempo, Marcus Eriksson raste um die Blöcke und traf auf seine unnachahmliche Art zwei frühe Dreier. Die Münchner waren noch gar nicht richtig im Spiel angekommen, da stand es nach 128 Sekunden bereits 0:8. Trainer Andrea Trinchieri nahm eine Auszeit, sein Team hatte dem Berliner Rhythmus aber auch danach nicht viel entgegenzusetzen.
Mit DJ Seeley, Wade Baldwin und Robin Amaize fingen sich drei Guards je zwei schnelle Fouls ein. Einzig Nationalspieler Paul Zipser hielt dagegen und bereitete Alba Probleme. Dennoch sah es aus Berliner Sicht in den ersten zehn Minuten exzellent aus. Nach einem Dreier von Tim Schneider führte Alba mit 29:14 und knüpfte nahtlos an das letzte Duell beider Mannschaften an, als sich die Berliner in der BBL mit 38 Punkten Vorsprung durchsetzten.
Die Parallelen zum Aufeinandertreffen in der Liga endeten aber schnell. Denn anders als Ende April, als die Münchner das Spiel schnell abschenkten und Kräfte sparten für die Euroleague, zeigten sie nun eine Reaktion. Im zweiten Viertel verteidigten sie intensiver, und nahmen dem Gegner den Rhythmus. Bei Alba lief nun gar nichts. Minutenlang reihten sich Fehlwürfe und Ballverluste aneinander, und die Münchner verkürzten den Rückstand Punkt um Punkt. Zwei Minuten vor der Pause glich Seeley aus, kurz darauf brachte der angeschlagene Vladimir Lucic die Gastgeber zum ersten Mal an diesem Nachmittag in Führung.
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Die Halbzeitsirene kam Alba sehr gelegen, um sich nach einem zweiten Viertel mit nur zehn Punkten zu sammeln. Nachdem die Berliner den ersten und die Münchner den zweiten Abschnitt deutlich dominiert hatten, ging es nach dem Seitenwechsel erst mal ausgeglichen zu. Zipser verwandelte an seinem Sahnetag weiter so gut wie jeden Ball in Punkte, auf der anderen Seite trafen Eriksson und der ungewohnt unauffällige Luke Sikma aus der Distanz. So ging Alba kurzzeitig wieder in Führung, verlor danach aber wieder etwas den Faden. Spielmacher Peyton Siva versuchte, das Geschehen zu übernehmen, traf dabei aber viele falsche Entscheidungen und zeigte unerklärliche Schwächen an der Freiwurflinie. Bayern agierte abgeklärter und erarbeitete sich eine neuerliche Führung.
Im Schlussviertel gab es mehrfach Situationen, die Alba auch ohne den verletzten Sikma hätten ins Spiel zurückbringen können. Thiemann traf einen wichtigen Dreier. Später verkürzte Jayson Granger auf 78:82, und einen Ballgewinn später ging Eriksson an die Freiwurflinie. Doch selbst der Schwede, einer der besten Werfer Europas und in dieser Saison mit einer Freiwurfquote von 94 Prozent, vergab einen Versuch. So kämpfte sich München erfolgreich über die Ziellinie.