Diese Chancen hat Deutschland gegen Portugal
Natürlich. Portugal ist Europameister. Portugal hat die Nations League gewonnen. Und Portugal hat nach allgemeiner Einschätzung jetzt eine noch stärkere Mannschaft als vor fünf Jahren bei der EM in Frankreich. Da kann man sich ruhig ein bisschen Sorgen machen. Sollte man sogar – wenn man Portugal ist.
Die Portugiesen zittern wahrscheinlich schon vor ihrem Angstgegner Deutschland. Die jüngsten vier Aufeinandertreffen beider Teams bei großen Turnieren endeten für sie jeweils mit einer Niederlage: 2006 bei der WM im Spiel um Platz drei, 2008 im EM-Viertelfinale, 2012 bei der Europameisterschaft und 2014 bei der Weltmeisterschaft in Brasilien jeweils im ersten Gruppenspiel.
In Salvador de Bahia siegten die Deutschen sogar 4:0 und erwischten dadurch die Woge der Begeisterung, die sie durch das Turnier bis zum WM-Titel in Rio trug.
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Selbst Cristiano Ronaldo hat den Portugiesen da nicht helfen können. Dessen persönliche Bilanz gegen die Deutschen fällt genauso desaströs aus wie die seiner Mannschaft. Ronaldo, fünfmaliger Weltfußballer, war in allen vier Begegnungen dabei und hat kein einziges Tor erzielt.
Trotzdem geht es vor jedem Spiel der Deutschen gegen die Portugiesen fast ausschließlich um die Frage: Wie stoppt man Ronaldo? „Man muss als Mannschaft gegen ihn verteidigen“, hat Philipp Lahm gesagt. Das war 2012. Und gilt bis heute.
Ronaldo nicht laufen lassen
„Natürlich wäre es ein Fehler, sich komplett auf Cristiano Ronaldo zu konzentrieren“, sagt Matthias Ginter, aktueller Innenverteidiger der Nationalmannschaft. Die Deutschen haben es eigentlich immer ganz gut hinbekommen, Ronaldo nicht ins Laufen kommen zu lassen.
Sie haben ihm die Wege verstellt, ihn in ihrem Deckungsschatten von den Zulieferdiensten seiner Kollegen abgeschnitten, und wenn er trotzdem mal am Ball war, haben sie sich mit aller Entschlossenheit in die Zweikämpfe mit ihm geschmissen, oft zu zweit.
Dieses Thema spielt auch in der erbitterten Systemdebatte eine Rolle, die gerade geführt wird. Mit der von Bundestrainer Joachim Löw installierten Dreierkette, gegen die sich immer mehr Widerstand im Land regt, ließe sich bei den Verteidigern in der letzten Linie ein größeres Gefühl der Sicherheit schaffen. Vor allem angesichts der Bedrohung, die trotz allem immer noch von Ronaldo ausgeht.
Auch wenn etwas Gegenteiliges suggeriert wird: Die Idee hinter Löws Plan ist im ersten Gruppenspiel durchaus aufgegangen. Gegen die offensivstarken Franzosen hat das von ihm gewählte 3-4-3-System seinen Zweck weitgehend erfüllt. Die Defensive stand bei der 0:1-Niederlage über weite Strecken sicher.
Mehr Durchschlagskraft im Spiel nach vorne
Deshalb spricht einiges dafür, dass Löw auch gegen die Portugiesen an seiner taktischen Grundordnung festhalten wird, selbst gegen den erbitterten Widerstand, der von Gurus und Ex-Gurus angeführt wird.
Wichtiger als das System ist ohnehin die Frage, ob es den Deutschen gegen Portugal trotz defensiver Stabilität gelingt, mehr Durchschlagskraft im Spiel nach vorne zu entwickeln. Dass es damit gegen die Franzosen recht dünn aussah, lag auch an deren formidabler Defensive.
„Die Franzosen sind auch Weltmeister im Verteidigen“, hat Löw gesagt. Über Portugal lässt sich das nur bedingt behaupten – auch wenn in ihrer Viererkette einer der aktuell vielleicht spannendsten Innenverteidiger der Welt spielt.
Ruben Dias ist im vergangenen Sommer für 68 Millionen Euro von Benfica Lissabon zu Manchester City gewechselt. Von den englischen Journalisten wurde der 24-Jährige gleich zu Englands Fußballer des Jahres gewählt, zudem als Premier League Player of the Season ausgezeichnet.
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Aber neben Ruben Dias verteidigt eben auch noch der 38 Jahre alte Pepe, der nicht mehr ganz so flink auf den Füßen ist wie in seiner besten Zeit bei Real Madrid. Pepe war schon 2014 in Salvador dabei und sah damals wegen einer Tätlichkeit gegen Thomas Müller die Rote Karte.
Ernüchterung quasi über Nacht verflüchtigt
Für den Routinier aus der portugiesischen Verteidigung gäbe es also noch etwas geradezurücken. Aber das ist für die Deutschen nach der Niederlage gegen Frankreich am vergangenen Dienstag nicht anders. Die Ernüchterung hat sich quasi über Nacht verflüchtigt, berichtete Innenverteidiger Ginter aus dem Teamquartier in Herzogenaurach; stattdessen herrsche „dieses Jetzt-erst-recht-Gefühl“ vor. Man sei bereit, gegen Portugal „voll auf Sieg“ zu spielen.
Die Erfahrungen der vergangenen Turniere zeigen, dass die Nationalmannschaft dem Druck durchaus standhalten kann. Unter Bundestrainer Löw haben die Deutschen nur einmal, bei der WM 2018, das erste Spiel verloren. Es folgte ein emotional aufwühlender 2:1-Erfolg gegen Schweden durch ein Tor in letzter Minute.
Die Statistik spricht ebenfalls für Löw. Zwei Niederlagen nacheinander bei einer EM-Endrunde gab es für die deutsche Nationalmannschaft zuletzt vor seiner Zeit. Das war im Jahr 2000, als der Bundestrainer noch Erich Ribbeck hieß. Einem 0:1 gegen England folgte im letzten Gruppenspiel der EM ein 0:3. Gegen Portugal.