„Wieder eine Handball-EM? Ohne mich!“

Handball-Bundestrainer Alfred Gislason bekommt langsam Probleme. Nicht etwa, weil von der deutschen Nationalmannschaft erwartet wird, dass sie nach fünf Jahren ohne Medaille endlich wieder den Sprung aufs Treppchen schafft. Nein, diese Ambitionen kann die DHB-Auswahl für die EM im kommenden Januar in Ungarn und der Slowakei hintenanstellen. Gislason gehen schlicht und einfach die Spieler aus.

Da ist ein Paul Drux, der sich nach seiner erneuten Knieverletzung noch nicht wieder fit genug fühlt. Da ist ein Patrick Groetzki, der wieder Vater wird und deswegen nicht teilnimmt. Da ist ein Fabian Wiede, der aus familiären Gründen absagt. Und dann ist da noch Juri Knorr, der der Meinung ist, dass er nach seiner Corona-Erkrankung noch über genügend Antikörper verfügt, und sich deswegen nicht impfen lassen möchte, sodass er aufgrund der 2G-Regelung bei dem Turnier nicht zugelassen wird.

Damit fehlen dem Bundestrainer vier Spieler, die er sicherlich vor der Nominierung des Kaders am Dienstag in Betracht gezogen hätte und deren Ausfälle nach den Rücktritten mehrerer renommierter Spieler noch stärker ins Gewicht fallen. Besonders, wenn man betrachtet, dass sich auch Deutschlands bester Kreisläufer und Abwehrspieler Hendrik Pekeler zurzeit eine längere Auszeit von der Nationalmannschaft nimmt, drängt sich die Frage auf, warum derart viele Handballer darauf verzichten, mit dem Adler auf der Brust aufzulaufen?

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Die Gründe sind sicher individuell und vielfältig und hängen natürlich auch mit der engen Taktung internationaler Meisterschaften zusammen. Die EM im Januar ist nach WM und Olympia bereits das dritte Großereignis im Handball binnen zwölf Monaten. Doch selbst der DHB-Sportvorstand Axel Kromer musste zuletzt einräumen, dass es in anderen Ländern nicht so viele Absagen gebe, weshalb man sich Gedanken machen müsse, beispielsweise die Familien mehr einzubinden.

Das ist ein Ansatz. Ein anderer wäre, die Grundlagen in der Liga zu schaffen. Nirgends ist der Terminplan so eng, der Anspruch durchgehend hoch und die Regeneration infolgedessen unsagbar kurz. Was die Bundesliga auf der einen Seite zur „stärksten Liga der Welt” macht, macht sie auf der anderen Seite zur großen Verschleißmaschinerie.

Gelingt es, im regulären Spielbetrieb Räume zu schaffen, in denen die Spieler Zeit für ihren Körper und für ihre Familien haben, wird vielleicht auch die Nationalmannschaft wieder attraktiver. Und nur dann können auch wieder große Erfolge erzielt werden.