Epische „Dune“-Fortsetzung: Der Messias reitet den Sandwurm
Dass die Bürde der Verantwortung schwer auf einem spindeligen Teenager lastet, ist das zentrale visuelle Motiv in Denis Villeneuves epischer Fortsetzung „Dune: Part Two“. Im ersten Film hatte Paul Atreides einerseits kaum Zeit, den gewaltsamen Tod des Vaters und den Fall der Familiendynastie zu verarbeiten; gleichzeitig musste er sich schon an den Gedanken gewöhnen, eine Art galaktischer Messias zu sein, der die kolonialen Herrschaftshäuser und das Volk der ausgebeuteten Fremen befriedet.
Pauls Coming-of-Age vollzog sich so rasant, dass er in „Part Two“ schon an einen Gothic-Teenager erinnert, der mit der Welt im Clinch liegt. Dunkle Haare, blässlicher Teint, introvertiert: So marschiert er – der Umhang flattert im Wüstenwind von Arrakis um seine schmale Silhouette – dem glühenden Sonnenuntergang entgegen.
Blockbuster und Autorenkino
Auch auf Timothée Chalamet lastet eine fast unmögliche Bürde: Er soll das „Dune“-Epos, das größer ist als die einzelnen Figuren in diesem galaktischen Schachspiel der Macht, auf seinen Schultern tragen. Dabei ist um ihn herum alles maximal: der Sound von Hans Zimmer, die Wüstenpanoramen, die mächtigen Bauten der Fremen-Stadt Sietch Tabr, die brutalistische Architektur des Harkonnen-Imperiums, die Raumschiffe. Und natürlich der Shai-Hulud, der auf Arrakis heimische Sandwurm, von dem Paul bei seiner Fremen-Initiation ein besonders großes Exemplar zum Dünen-Reiten entert.
Geradezu klein mutet dagegen die zarte Liebesgeschichte zwischen Chalamets Paul und der Fremen-Kriegerin Chani (Zendaya) an, die der Vorgänger noch mit viel erzählerischem Aufwand vorbereitete. Chani glaubt nicht an einen Erlöser, aber sie glaubt an ihren Paul; doch für Teenagergefühle bleibt in „Dune“ kein Platz. Villeneuve erweist sich nicht nur in dieser Hinsicht als äußerst freudloser Erzähler.
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„Dune: Part Two“, den man im Übrigen nicht Sequel nennen sollte (im Stil klassischer Serial-Erzählungen schließt der zweite Teil unmittelbar an den Cliffhanger des ersten Films an), hat zudem die Aufgabe, den Vorgänger noch zu übertrumpfen – auf dass noch viele weitere Kapitel folgen. Ob „Dune Messiah“ aber tatsächlich kommt, hängt auch vom kommerziellen Erfolg des zweiten Films ab, der das Unmöglich versucht: gleichzeitig Blockbuster und Autorenkino sein zu wollen.
Galaktische Intrigenspiele
In mancher Hinsicht zahlt sich Villeneuves langsames world building, welches schon den ersten Teil enorm verschleppte, in „Dune: Part Two“ sogar aus. In den galaktischen Intrigenspielen, die den Herrschaftshäusern den Abbau der für die interstellare Raumfahrt dringend benötigten Spice-Kristalle auf Arrakis sichern sollen, tritt der Schwesternorden der hellsichtigen Mütter, die Bene Gesserit, als überraschend machtvoller Akteur hervor.
Weil Pauls Einfluss auf die Fremen wächst, die nur widerwillig den „Auserwählten“ von einem anderen Planeten akzeptieren (aber wer den Sandwurm so reiten kann wie Beachboy Timothée…), installieren sie einen Kontrahenten aus der Familie des Barons Harkonnen (Stellan Skarsgård), der auf Pauls Heimatplaneten Caladan inzwischen ein Schreckensregime errichtet hat. Neffe Feyd-Rautha (Austin Butler) ist ein Psychopath, dessen cartoonhafte Auftritte die moralischen Ambivalenzen der Geschichte regelrecht einebnen.
Die Bene Gesserit um die Ehrwürdige Mutter Mohiam (Charlotte Rampling) sind nicht die einzigen undurchsichtigen Figuren in „Dune: Part Two“. Paul ist durch sein Exil auf Arrakis derart dem psychedelischen Spice ausgesetzt, dass seine Visionen immer konkreter werden: Sollte er tatsächlich der Prophet Lisan al-Gaib sein, den Fremen-Anführer Stilgar (Javier Bardem) in ihm sieht? Oder ist die Prophezeiung eines Erlösers nur ein weiteres Komplott, um das indigene Volk leichter zu kontrollieren? Paul selbst zweifelt an seiner Rolle, als er erkennen muss, dass in einer möglichen Zukunft ein „Heiliger Krieg“ in seinem Namen die Galaxis erschüttern könnte.
Die in Frank Herberts Romanzyklus etablierten Themen Kolonialismus, Religionskrieg und Totalitarismus resonieren sechzig Jahre später immer noch. Aber Villeneuve und seinem Ko-Autor Jon Spaihts bleiben in knapp drei Stunden gerade mal genug Zeit, die ausufernde Geschichte zu straffen. So liest sich „Dune: Part Two“ gegenwärtiger, als er eigentlich ist.
Die Kultur der Fremen, die im Mittelpunkt von Paul innerem Konflikt steht, wird nur oberflächlich (und oft nicht mehr als exotisierend-mythisch) beschrieben – genauso wie deren unterschiedliche Fraktionen. Und Pauls Zweifel, ob sich ein Nachfahre der Kolonisatoren zum Erretter der Kolonisierten aufschwingen darf, werden spätestens vom ohrenbetäubenden Kampflärm im Showdown vaporisiert. In diesen Massentableaus wirkt „Dune: Part Two“ besonders lieblos inszeniert; ständig vernebeln Sandstürme und Wüstenflimmern die Optik.
So kann Villeneuve die hohen Erwartungen des Vorgängers nicht einlösen, das Urteil über sein ambitioniertes Projekt ist nochmals vertagt. Das Schlussbild deutet immerhin an, dass Zendayas Chani, deren skeptischer Gesichtsausdruck noch die beste Reaktion auf all das pseudo-spirituelle Gerede ist, im möglichen dritten Film endlich eine gewichtigere Rolle spielt. Bei Herbert kamen die weiblichen Figuren, selbst im elften Jahrtausend, nicht sehr vorteilhaft weg. Kein Wunder, dass Chani am Ende von „Dune: Part Two“ auf einem Sandwurm das Weite sucht.