Aktuelle Kindercomics im Nachwuchstest

Es ist ein ambitioniertes Vorhaben mit einem schwer beschäftigten Neunjährigen einen ganzen Tag lang Comics zu lesen und auch noch gemeinsam darüber zu debattieren. Doch als ich meinem Sohn ankündige, dass er diesmal dabei sein darf, wenn ich die neuen Comics „für die Arbeit“ lese, ist er Feuer und Flamme für den Job.

Bildergeschichten sind bei uns zu Hause allgegenwärtig. Auch das rasante Lesenlernen unseres Sprößlings, der dank einfacher Bildergeschichten wie „Das Buch über uns“ von Mo Willems (Klett Kinderbuch, 64 S., 11 €) noch vor dem ersten Schultag erste Wörter entziffern konnte, schiebe ich zuvorderst auf die neunte Kunst.

Kurz nach Schulstart löste er mit der Reihe „Kiste“ von Patrick Wirbeleit und Uwe Heidschötter gleich einen Hype aus, der sämtlichen Jungs und auch einigen Mädchen der ersten bis vierten Klasse Punkte beim Leseförderprogramm Antolin bescherte. Er suchtet jedes „Mosaik“ und vertiefte sich zuletzt stundenlang in den dritten Band der Serie „Unschlagbar“ über den Superhelden mit der Macht der Comics.

Da ist es nur konsequent, dass er nun erwartungsvoll als Testleser für die aktuellen Kindercomics neben mir auf dem Sofa sitzt.

Schon das Wikinger-Selfie-Cover von „Gorm Grimm“ (Kibitz, 96 S., 15 €) löst ein derartiges Gelächter aus, dass wir direkt damit loslegen. Erst lese ich vor, schlüpfe in die verschiedenen Rollen und bin mal Teenager, mal geplagter Erziehungsberechtigter, mal sprachlich eingeschränkter Wikinger. Dann will mein Sohn mitmachen.

Eine Szene aus „Gorm Grimm“.Foto: Kibitz

Wir lesen in verteilten Rollen, kringeln uns vor Lachen, wenn einer den Einsatz verpasst und wegen der Witze – allerdings nicht immer wegen derselben. In kurzer Zeit ist das erste Abenteuer des plumpen, immer hungrigen Wikingers, der von einem Schamanen in die heutige Zeit versetzt wird, beendet und der Neunjährige amüsiert sich immer noch köstlich über „den lustigen Unsinn, den Gorm immer anstellt“.

Bildgeschichten funktionieren auch mal ohne Bilder

Wichtig war ihm, dass er die Gefühle der Figuren anhand der Gesichtsausdrücke stets gut nachvollziehen konnte. Das ist bei unserem nächsten Comic etwas schwieriger, denn in „Das unsichtbare Raumschiff“ (Kibitz, 96 S., 15 €) gibt es über weite Strecken fast nur Sprechblasen. Daher ist es „cool, das die Sprechblasen verschiedene Farben haben“, so weiß man immer, welche der vier „schön bescheuerten“ Figuren gerade spricht.

Das Titelbild von „Das unsichtbare Raumschiff“.Foto: Kibitz

Trotzdem (Oder gerade wegen?) der äußerst kurzen Auftritte des Raumschiffs und der Crew soll ich erwähnen, dass sie „gut gezeichnet sind“. Die Altersempfehlung ab sechs Jahre fand ich zunächst etwas niedrig.

[Mehr über aktuelle Kindercomics: Nachschub für den Nachwuchs, Wundertüte im Abonnement.]

Meine sechsjährige Tochter, die mittendrin zur gemütlichen Leserunde dazustieß, belehrte mich aber eines Besseren, indem sie schlicht bis zum Ende bei uns sitzen blieb, trotz fehlender Bilder unermüdlich zuhörte und in das herzhafte Gelächter sogar ab und an einstimmte.

Dann wendeten wir uns einer herrlich spleenigen Monstermediatorin zu: Der zweite Band zu „Die geheimnisvollen Akten von Margo Maloo: Die Monster-Mall“ (Reprodukt, 64 S., 18 €) ist dieses Jahr erschienen und zur Feier des Tages mussten wir auch Band 1 noch mal lesen.

Eine Szene aus „Die geheimnisvollen Akten von Margo Maloo“.Foto: Reprodukt

Auffällig war, dass mein sonst so bewegungsfreudiger Sohn sich während der Lektüre der skurril gezeichneten Comics keinen Zentimeter bewegte und bei der Begegnung von Margos frischgebackenem Assistenten Charles mit Vampiren, einer Bande jugendlicher Reißzahnrotzlöffel, wirkte, als würde er die Luft anhalten. Besonders die Monster und ihre „coolen Verstecke“ haben es ihm bei dieser Reihe angetan.

Ein Abenteuer mit Freibeuter Zack

Ein richtiger Wälzer ist „Yasmina und die Kartoffelkrise“ (Reprodukt, 152 S. 20 €). In dem Comic des Belgiers Wauter Mannaert, den man getrost als Plädoyer für gesunde Ernährung betrachten kann, sorgt eine gut gemeinte Erfindung für ziemliches Chaos, fliegende Grundnahrungsmittel und Ebbe in Yasminas Kochtöpfen.

Wie das mutige Mädchen seine Essensvorlieben verteidigt und einer Verschwörung auf die Spur kommt, fesselt trotz langer Lesezeit auch einen Neunjährigen, sodass die Zubettgehzeit kurzerhand nach hinten verschoben werden musste.

Damit endet unser erster gemeinsamer Arbeitstag und ich wünsche mir plötzlich, dass auch meine Tochter ihren Lesestart an der Seite cooler Comichelden und vor allem -heldinnen wie der unbeugsamen Lisa aus der „Handbuch für Superhelden“-Reihe (Jacoby & Stuart, bislang 6 Bände, zw. 96-112 S., je 13 €), der smarten Enola Holmes aus der gleichnamigen Serie (Toonfish, 64 S., 14,95 €) und der mutigen Bonny aus dem Piratenabenteuer „Zack“ (Kibitz, 96 S., 15 €) von Màriam Ben-Arab und Volker Schmitt bestreiten kann.

Das Titelbild von „Zack“.Foto: Kibitz

Die fand mein Sohn übrigens richtig „lustig“. Während er sich sicher war, dass das „einfallsreiche“ Mädchen in eine andere Welt versetzt wurde, nahm ich schlicht an, sie hätte sich den Kopf gestoßen und die Begegnung mit Freibeuter Zack nur geträumt.

Kinder rezipieren eben anders! Neben dem imposanten Piratenschiff ist uns hier vor allem die lebendige Haarpracht der Hauptfiguren im Gedächtnis geblieben. Solch positive und sympathische Figuren möchten wir beide noch oft sehen! Vielleicht schon in einem der nächsten Kindercomics?