Trainerwechsel beim FC Bayern: Wie es zum Bruch zwischen Verein und Julian Nagelsmann kam
Den Weg an die Säbener Straße hätte sich Julian Nagelsmann sparen können, er wusste längst, was ihn dort, in der Zentrale des FC Bayern, am Freitag erwarten würde. Die Weichen waren bereits gestellt: ohne ihn, dafür mit Thomas Tuchel, der ihn als Trainer des deutschen Rekordmeisters beerben wird. Aber es hat zum einen mit Anstand zu tun, seinem Leitenden Angestellten in einem persönlichen Gespräch die Gründe für die Trennung mitzuteilen. Zum anderen gibt es ja auch noch einiges zu klären am Ende des Arbeitsverhältnisses, finanziell zum Beispiel.
Es sollte nicht laufen, wie vor vier Jahren. Nach der Entlassung von Carlo Ancelotti im September 2017 war man noch nicht ganz überzeugt von Tuchel. Oder besser: Uli Hoeneß, damals noch Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender, war es nicht. Ein halbes Jahr hatten die Verantwortlichen zu lange gezögert, vergeblich gehofft, Jupp Heynckes zum Weitermachen überreden zu können. Als es auch Hoeneß einsehen musste, dass sich die Bayern einen neuen Trainer suchen müssen, war Tuchel nicht mehr auf dem Markt. Er hatte bei Paris St. Germain eine Alternative gefunden.
Nun also, im zweiten Anlauf, ist Tuchel auch sportlich in München gelandet, privat ist das der gebürtige Schwabe als Hausbesitzer schon länger. Am Samstag soll der 49-Jährige um 12 Uhr offiziell in der Münchner Arena vorgestellt werden, zwei Tage später dann das erste Mal das Training leiten, allerdings nur mit einer Handvoll Spieler. Der Großteil des Kaders kehrt von den Nationalmannschaften erst Mitte der Woche zurück.
Nagelsmann hatte ein gestörtes Verhältnis zu Manuel Neuer
In München dürfte die Gemengelage nicht einfach werden für Tuchel. Zwar sind in Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die ganz großen Alphatiere weg, aber es hat bei Bayern Tradition, dass der Klub der Boss ist. Funktioniert haben in München auf längere Sicht fast immer nur Trainer, die sich arrangiert, die kooperiert haben. Tuchel ist jemand, der seinen eigenen Kopf hat und damit eben auch manchmal durch die Wand will.
19
Monate dauerte die Amtszeit von Julian Nagelsmann beim FC Bayern.
An fehlender Kompromissbereitschaft lag es nicht, dass die Ära Nagelsmann in München nach nur 19 Monaten endete. Es war schon länger im näheren Umfeld des Vereins kolportiert worden, dass Nagelsmann die Kabine verloren habe. Er hatte ein paar Leistungsträger wie Joshua Kimmich als Unterstützer. Aber eben auch ein paar Spieler, die ganz offensichtlich skeptisch waren oder wurden. Manuel Neuers Verhältnis zu Nagelsmann war dem Vernehmen nach nicht erst seit der Entlassung von Torwarttrainer Toni Tapalovic im Januar gestört.
„Nach der WM haben wir immer weniger erfolgreich und attraktiv gespielt, die starken Leistungsschwankungen haben unsere Ziele in dieser Saison infrage gestellt, aber auch über diese Saison hinaus. Deshalb haben wir jetzt reagiert“, begründete Vorstandschef Oliver Kahn die Entscheidung der Bayern-Bosse. Und Sportvorstand Hasan Salihamidzic sprach von der „schwierigsten Entscheidung in meiner Zeit als sportlich Verantwortlicher des FC Bayern“.
Nagelsmann ließ Disziplinlosigkeiten zu lange durchgehen
Nagelsmann hat es nicht geschafft, eine Einheit zu formen, die auch im Alltag gierig auftrat. In der vergangenen und in dieser Saison fehlte die Konstanz in den Leistungen. Nagelsmann ließ Disziplinlosigkeit zu lange durchgehen. In der laufenden Spielzeit stimmten dann die Ergebnisse in der Bundesliga nicht mehr, weshalb man, so Kahn, zu der Erkenntnis gekommen sei, „dass sich die Qualität unseres Kaders zunehmend seltener gezeigt“ habe.
Vielleicht ist sein lockerer Führungsstil auch dem Alter geschuldet. Mit 35 gehört Nagelsmann fast noch der Spielergeneration an. In der Öffentlichkeit trat er auch eher so auf, zeigte sich in schicken Klamotten, kam mit dem Skateboard zum Training – und sorgte mit seiner Beziehung für Schlagzeilen. Dass er mit einer „Bild“-Reporterin liiert ist, sorgte im Verein nicht gerade für Begeisterung. Den Titel des Trainer-Talents hat er beim FC Bayern nie ablegen können.
Tuchel hat den Vorteil, schon ein paar Meriten eingefahren zu haben. Auf diesen Effekt hoffen die Bayern jetzt auch. Der neue Trainer muss nichts Grundlegendes ändern, nur ein paar neue Impulse setzen. Die Mannschaft kann ja, wenn sie will – und wenn es der Trainer schafft, ihr die richtige Einstellung mitzugeben. Das kommende Bundesligaspiel gegen den neuen Tabellenführer Borussia Dortmund wäre dafür der passende Anlass.
Zur Startseite