Der bessere Deutsche
Nichts kann ihn stoppen, kein Stacheldraht, keine Einzelhaft, kein Suchtrupp. Für die Freiheit riskiert er ein ums andere mal sein Leben, auch wenn sie ihn immer wieder zurückbringen ins Kriegsgefangenenlager. „Jeder Soldat muss versuchen zu fliehen, wenn sich die Chance bietet“, sagt er.
Im britischen Kriegsfilm „Einer kam durch“ spielt Hardy Krüger einen deutschen Jagdflieger, der 1940 mit seiner Maschine über England abgeschossen wurde und alles daran setzt, in seine Heimat zurückzukehren und weiterzukämpfen. Am Ende gelingt es ihm aus dem Gefangenentransport, der ihn in ein kanadisches Lager bringen soll, zu entkommen und sich in die damals noch neutrale USA durchzuschlagen. Seinem hartnäckigsten Verfolger schickt er – ganz Offizier und Gentleman – eine Postkarte.
Als „The One That Got Away“, so der Originaltitel, 1957 in die britischen Kinos kam, wurde der Film zum Politikum. Weil er zwölf Jahre nach Kriegsende einen Deutschen als Helden zeigte, noch dazu einen, der mit seinen blonden Haaren und blauen Augen dem Klischee eines „Ariers“ entsprach.
Ein Reporter fragt: „Waren Sie ein Nazi?“
Die erste Frage, die Hardy Krüger bei einer Pressekonferenz in London von einem Journalisten zu hören bekam, lautete: „Waren Sie ein Nazi?“ Ein Affront. „Ich habe die Flucht nach vorn angetreten, indem ich ,ja’ sagte“ erinnerte sich der Schauspieler später. „Daraufhin herrschte Sprachlosigkeit im Saal. Bislang hatten die englischen Journalisten nur Deutsche kennen gelernt, die behaupteten, keine Nazis gewesen zu sein. Und ich habe noch hinzugefügt: ,Das ist die dämlichste Frage, die ich je gehört habe’ und den Reporter gefragt: ,Wie kommen Sie darauf, dass ich ein Nazi war?’, Er sagte: ,Gucken Sie mal in den Spiegel, Sie sehen so aus.’
Daraufhin habe ich entgegnet, ich könne verstehen, dass er als Jude etwas gegen Deutsche habe. Er fragte: ,Woher wissen Sie, dass ich Jude bin?’ Und ich: ,Gucken Sie mal in den Spiegel.’ Dann war der Teufel los. Wir hatten alle englischen Zeitungen gegen uns.“
„Einer kam durch“ wurde trotzdem ein Welterfolg und verhalf Krüger zum internationalen Durchbruch. Der Rolle des Draufgängers ist er danach erst einmal nicht mehr entkommen, und auch die Uniform mit dem Hakenkreuz musste er noch mehrmals anziehen. Allerdings verkörperte er in Filmen wie „Taxi nach Tobruk“ oder „Die Brücke von Arnheim“ keine fanatischen Ideologen, sondern Kämpfer auf der falschen Seite, die moralisch integer geblieben waren.
Er wurde zum „Botschafter Deutschlands“
Krüger machte aus Karikaturen Menschen und wollte der Welt zeigen, dass es auch andere, gute Deutsche gegeben hatte. Die Illustrierte „Quick“ ernannte den Filmstar 1960 zum „Botschafter Deutschlands“, der „im Ausland erfolgreicher als mancher Diplomat“ agiere. Mit dem Reporter, der ihn bei der Pressekonferenz attackiert hatte, freundete er sich an. Er hieß Thomas Wiseman und war als jüdisches Kind aus Wien nach England geflohen.
Für Hardy Krüger, der 1928 im Berliner Wedding geboren wurde und in Biesdorf aufwuchs, war ursprünglich ein anderer Lebensweg vorgesehen als der eines Aussöhners. Sein Vater, ein Ingenieur und Parteimitglied, schickte ihn auf die Ordensburg Sonthofen, eine Eliteschule, in der Kinder zu kriegerischen Herrenmenschen erzogen werden sollten.
1943 bekam er eine Rolle im Propagandafilm „Junge Adler“ über eine Gruppe von Hitlerjungen, die in einer Rüstungsfabrik Bomberkanzeln bauen und von Heldentaten träumen. Das Drehbuch stammte vom späteren „Derrick“-Schöpfer Herbert Reinecker, Regie führte Alfred Weidenmann. Mit dem Duo sollte Krüger auch nach dem verpassten Endsieg noch arbeiten, für harmlosere Filme wie „Der Himmel ist nie ausverkauft“ und „Alibi“.
Zweifel an der Auserwähltheit des „Führers“ kamen dem Adolf-Hitler-Schüler ausgerechnet bei den Dreharbeiten zu „Junge Adler“. In der Ufa-Filmstadt Babelsberg traf er den Schauspieler Hans Söhnker, der von den Verbrechen des Regimes berichtete und ihm Filme von Ernst Lubitsch und Reinhold Schünzel zeigte. „In Sonthofen war mir eingebläut worden, die Juden seien ,unser Unglück’ und jetzt sah ich, welche großartigen Filme von Juden gedreht worden waren.“ Söhnker hatte eine kleine Widerstandsgruppe aufgebaut, die Juden versteckte und in die Schweiz schleuste. Der Jungschauspieler half ihnen als Kurier.
Dem „Heldentod“ ist Krüger knapp entkommen, als er Anfang 1945 in die SS-Division „Nibelungen“ eingezogen wurde und am Donaubogen in schwere Gefechte geriet. Aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft ist er ausgebüxt und kam auch dabei – wie später im Film – durch. Von Tirol aus ist er zu Fuß bis zum Elternhaus in Biesdorf gelaufen, 34 Tage lang. „Was ich in den letzten zwei Jahren des Krieges sah“, konstatierte er, „hat einen nie zu stillenden Durst nach dem Leben in mir ausgelöst“. Freiheitsdrang wurde zum Treibstoff seines Lebens.
Im Kino wurde er schnell zum Star
Seinen Geburtsnamen Eberhard verkürzte er auf den Rat eines Redakteurs hin zu Hardy, als er in Hamburg seine Karriere als Radiosprecher begann. Hardy ist in England und Amerika ein Nachname, die Übersetzung lautet: der Unerschrockene. Im Kino wurde er schnell zum Star, aber im bundesdeutschen Film der Adenauer-Ära blieb ihm meist nur die Rolle des ungestümen jungen Liebhabers oder hormonell verwirrten Halbstarken übrig, in Lust- und Frustspielen, die „Alle kann ich nicht heiraten“ oder „Muss man sich gleich scheiden lassen?“ hießen. Der Tiefpunkt war erreicht, als er im Tarzan-Abklatsch „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“ die halbnackte Hauptdarstellerin Marion Michael durch den Dschungel verfolgen musste.
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Anspruchsvollere Filme wie das deutsch-deutsche Liebesdrama „Zwei unter Millionen“ und Helmut Käutners Hamlet-Aktualisierung „Der Rest ist Schweigen“ floppten. Krügers Lieblingsfilm, das stille, vom Franzosen Serge Bourguignon inszenierte Drama „Sonntage mit Sybill“ über einen vom Krieg traumatisierten Mann, der sich mit einem Waisenmädchen anfreundet, ist heute nahezu vergessen. Er erhielt 1963 den Auslands-Oscar, verschwand jedoch schon nach zwei Wochen wieder aus den deutschen Kinos.
Seit den 1980er Jahren schrieb er Bücher
Aber Hardy Krüger war ein freier Mann, ab Beginn der sechziger Jahre arbeitete er fast ausschließlich im Ausland. Prädestiniert für die ganz großen Abenteuerfilme spielte er neben James Stewart („Der Flug des Phoenix“), John Wayne („Hatari“), und Richard Burton („Die Wildgänse kommen“). In die Filmgeschichte eingegangen ist er spätestens mit seiner Darstellung des preußischen Hauptmanns von Potzdorf in Stanley Kubricks Kostümfilm „Barry Lyndon“, legendär nicht nur die von Kerzen illuminierten nächtlichen Bankettszenen.
In den achtziger Jahren zog sich Krüger langsam aus dem Filmgeschäft zurück, schrieb Erzählungen und Reisebücher, hielt Vorträge gegen den erstarkenden Rechtsradikalismus. Das Älterwerden verglich er mit einer Sanduhr. „Am Anfang dauert es ewig, bis man überhaupt bemerkt, dass der Sand nach unten wegrieselt. Aber am Schluss, da rauscht er – schwupp! – ganz schnell durch.“ Am Mittwoch ist Hardy Krüger in Palm Springs in seiner kalifornischen Wahlheimat gestorben. Er wurde 93 Jahre alt.